Dordrechter Lehrregeln
Die sogenannten „Fünf Punkte des Calvinismus“ gehen zurück auf dieses umfassendere, tiefgründigere Lehrdokument. Um die gute Nachricht von der souveränen Gnade Gottes gegenüber Irrlehren zu bewahren, haben die reformierten Kirchen auf der „großen Dordrechter Synode“ (1618-19) „die Lehrregel“ verfasst.
ERSTES LEHRSTÜCK: VON DER GÖTTLICHEN VORHERBESTIMMUNG
Artikel 1
Da alle Menschen in Adam gesündigt haben und des Fluches und ewigen Todes schuldig geworden sind, so würde Gott niemandem Unrecht getan haben, wenn er das ganze Menschengeschlecht in Sünde und Fluch hätte lassen und wegen der Sünde verdammen wollen, nach jenem Ausspruch des Apostels, »[…] damit jeder Mund verstopft werde und alle Welt vor Gott schuldig sei, …« (Röm 3,19), »denn alle haben gesündigt und verfehlen die Herrlichkeit, die sie vor Gott haben sollten, …« (V. 23). Und: »[…] der Lohn der Sünde ist der Tod; […]« (Röm 6,23).
Artikel 2
Aber darin hat sich die Liebe Gottes offenbart, dass er seinen eingeborenen Sohn in die Welt gesandt hat, dass jeder, der an ihn glaubt, nicht verlorengehe, sondern das ewige Leben habe.
Artikel 3
Damit aber die Menschen zum Glauben geführt werden, sendet Gott gütig Verkündiger dieser sehr erfreulichen Botschaft zu wem er will und wann er will, durch deren Vermittlung die Menschen zur Bekehrung und zum Glauben an den gekreuzigten Christus gerufen werden.
Denn wie sollten sie glauben an den, von dem sie nichts gehört haben? Wie sollten sie aber von ihm hören, ohne dass es jemand verkündigt? Wie sollten sie es verkündigen, wenn sie nicht geschickt wären?
Artikel 4
Über denen, welche an dieses Evangelium nicht glauben, bleibt der Zorn Gottes. Diejenigen aber, welche es annehmen und den Heiland Jesus mit wahrem und lebendigem Glauben umfassen, die werden durch ihn vom Zorn Gottes und vom Untergang gerettet und mit dem ewigen Leben beschenkt.
Artikel 5
Die Ursache aber oder Schuld dieses Unglaubens, wie die aller übrigen Sünden, ist durchaus nicht in Gott, sondern im Menschen. Der Glaube an Jesus Christus aber und das durch ihn zu erlangende Heil ist ein Gnadengeschenk Gottes, wie geschrieben steht: »Denn aus Gnade seid ihr errettet durch den Glauben, und das nicht aus euch – Gottes Gabe ist es; …« (Eph 2,8). Und ebenfalls: »Denn euch wurde, was Christus betrifft, die Gnade verliehen, […] an ihn zu glauben, […]« (Phil 1,29).
Artikel 6
Dass aber zur Zeit einige mit dem Glauben beschenkt werden, andere nicht, das geht aus Gottes ewigem Ratschluss hervor, denn alle seine Werke weiß Gott von Ewigkeit. Nach diesem Ratschluss erweicht er die Herzen der Auserwählten gnädiglich, mögen sie noch so hart sein, und führt sie zum Glauben, die Nichtauserwählten aber überlässt er nach gerechtem Urteil ihrer Bosheit und Verhärtung. Und hier offenbart sich uns ganz vorzüglich die tiefe, zugleich barmherzige und gerechte Unterscheidung gleich verderbter Menschen oder jener Ratschluss der Erwählung und Verwerfung, im Wort Gottes geoffenbart. Wie diesen Verderbte, Unreine und Wankelmütige zu ihrem eigenen Untergang verdrehen, so gewährt er frommen und gottesfürchtigen Seelen einen unaussprechlichen Trost.
Artikel 7
Die Erwählung aber ist ein unveränderlicher Vorsatz Gottes, durch den er vor Grundlegung der Welt aus dem gesamten Menschengeschlecht, das aus der anfänglichen Unschuld durch seine eigene Schuld der Sünde und dem Verderben verfallen war, nach freiem Belieben seines Willens, aus reiner Gnade, eine bestimmte Menge von Menschen, die weder besser noch würdiger als andere waren, sondern mit ihnen im gemeinschaftlichen Elend lagen, zum Heil auserwählt hat in Christus, den er auch von Ewigkeit her zum Mittler und Haupt aller Erwählten sowie zum Grund der Seligkeit bestimmt hat. Und so hat er auch sie ihm zur Rettung zu übergeben und sie wirksam zur Gemeinschaft mit ihm durch das Wort und seinen Heiligen Geist zu berufen und zu führen oder sie mit dem wahren Glauben an ihn zu beschenken, sie zu rechtfertigen, sie zu heiligen und, nachdem er sie mächtig in der Gemeinschaft mit seinem Sohn bewahrt hat, endlich zu verherrlichen beschlossen, um seine Barmherzigkeit und den Ruhm des Reichtums seiner gepriesenen Gnade zu zeigen, wie geschrieben steht: »wie er uns in ihm auserwählt hat vor Grundlegung der Welt, damit wir heilig und tadellos vor ihm seien in Liebe. Er hat uns vorherbestimmt zur Sohnschaft für sich selbst durch Jesus Christus, nach dem Wohlgefallen seines Willens, zum Lob der Herrlichkeit seiner Gnade, mit der er uns begnadigt hat in dem Geliebten.« (Eph 1,4–6). Und an einer anderen Stelle: »Die er aber vorherbestimmt hat, die hat er auch berufen, die er aber berufen hat, die hat er auch gerechtfertigt, die er aber gerechtfertigt hat, die hat er auch verherrlicht.« (Röm 8,30).
Artikel 8
Diese Erwählung ist aber nicht eine mehrfache, sondern ein und dieselbe für alle, die gerettet werden sollen, im Alten und Neuen Testament, da die Schrift nur ein Wohlgefallen, einen Vorsatz und Beschluss des göttlichen Willens verkündigt, durch den er uns von Ewigkeit zur Gnade und Herrlichkeit auserwählt hat, und zur Seligkeit und dem Weg der Seligkeit, den er uns bereitet hat, damit wir auf ihm wandeln.
Artikel 9
Ebendiese Erwählung ist nicht geschehen nach vorhergesehenem Glauben und gläubigem Gehorsam, nach Frömmigkeit oder irgendeiner anderen guten Eigenschaft oder Beschaffenheit, als wenn ein Grund oder eine Bedingung in dem zu erwählenden Menschen vorher erforderlich wäre, sondern zum Glauben, zu gläubigem Gehorsam, zur Frömmigkeit usw. Und deshalb ist die Erwählung die Quelle jedes seligmachenden Gutes, aus der Glaube, Frömmigkeit und die übrigen heilbringenden Gaben, das ewige Leben selbst endlich wie ihre Früchte und Wirkungen hervorgehen, nach dem Wort des Apostels: »wie er uns in ihm auserwählt hat vor Grundlegung der Welt, [nicht weil wir waren, sondern] damit wir heilig und tadellos vor ihm seien in Liebe.« (Eph 1,4. Hinzufügung in [ ] durch den Herausgeber).
Artikel 10
Der Grund dieser Erwählung aus Gnade aber ist allein das Wohlgefallen Gottes, nicht darin bestehend, dass er bestimmte Eigenschaften oder Handlungen der Menschen aus allen möglichen Bedingungen zur Bedingung des Heils auserwählte, sondern darin, dass er gewisse, bestimmte Personen aus der allgemeinen Menge der Sünder sich zum Eigentum nahm, wie geschrieben steht: »als [die Kinder] noch nicht geboren waren und weder Gutes noch Böses getan hatten – damit der gemäß der Auserwählung gefasste Vorsatz Gottes bestehen bleibe, nicht aufgrund von Werken, sondern aufgrund des Berufenden –, wurde zu ihr gesagt: ›Der Ältere wird dem Jüngeren dienen‹; wie auch geschrieben steht: ›Jakob habe ich geliebt, Esau aber habe ich gehasst‹.« (Röm 9,11–13). Und: »[…] es wurden alle die gläubig, die zum ewigen Leben bestimmt waren.« (Apg 13,48).
Artikel 11
Und wie Gott selbst am weisesten ist, unveränderlich, allwissend und allmächtig, so kann die von ihm geschehene Erwählung weder unterbrochen, noch verändert, noch widerrufen oder abgebrochen werden, noch können die Erwählten verworfen, noch kann ihre Zahl vermindert werden.
Artikel 12
Von dieser seiner ewigen und unveränderlichen Erwählung zur Seligkeit erhalten die Erwählten zu seiner Zeit, wenn auch in verschiedenen Abstufungen und in ungleichem Maß, Kunde, und zwar nicht, indem sie die Geheimnisse und Tiefen Gottes neugierig erforschen, sondern indem sie die untrüglichen Früchte der Erwählung, die im göttlichen Wort bezeichnet sind (wie da sind wahrer Glaube an Christus, kindliche Gottesfurcht, Schmerz über die Sünden gegen Gott, Hunger und Durst nach Gerechtigkeit usw.), an sich mit geistlicher Freude und heiligem Vergnügen wahrnehmen.
Artikel 13
Aus der Wahrnehmung und Gewissheit dieser Erwählung entnehmen die Kinder Gottes von Tag zu Tag größeren Stoff, sich vor Gott zu demütigen, die Tiefe seiner Barmherzigkeit anzubeten, sich selbst zu reinigen und ihn, der sie zuerst so geliebt hat, wiederum inbrünstig zu lieben, weit entfernt davon, dass sie durch diese Lehre von der Erwählung und das Nachdenken darüber in der Beobachtung der göttlichen Befehle lässiger oder fleischlich sicher gemacht würden – was denen nach gerechtem Gericht Gottes zu geschehen pflegt, die, indem sie sich der Gnade der Erwählung leichtsinnig vermessen oder unnütz und schlecht über sie schwatzen, auf den Wegen der Auserwählten nicht wandeln wollen.
Artikel 14
Wie aber diese Lehre von der göttlichen Erwählung nach dem weisen Ratschluss Gottes durch die Propheten, durch Christus selbst und die Apostel im Alten und Neuen Testament verkündigt, in die Heilige Schrift aufgenommen ist, so ist sie auch heute in der Kirche Gottes, dem sie ganz besonders geweiht ist, mit dem Geist der Unterscheidung gottesfürchtig und fromm, an seinem Ort und zu seiner Zeit, ohne alle neugierige Ergrübelung der Wege des Höchsten vorzutragen, und zwar zum Ruhm des heiligen göttlichen Namens und zum lebendigen Trost seines Volkes.
Artikel 15
Übrigens erläutert und empfiehlt uns die Heilige Schrift dadurch vorzüglich diese ewige und unverdiente Gnade der Erwählung, dass sie ferner bezeugt, dass nicht alle Menschen erwählt sind, sondern einige nicht erwählt oder bei der Erwählung Gottes übergangen, die Gott nämlich nach seinem freien, gerechten, untadeligen und unveränderlichen Wohlgefallen in dem gemeinsamen Elend, in das sie sich durch ihre Schuld gestürzt haben, zu lassen und sie nicht mit dem seligmachenden Glauben und der Gnade der Sinnesänderung zu beschenken, sondern sie, auf ihren Wegen und unter dem gerechten Gericht lassend, endlich nicht nur wegen ihres Unglaubens, sondern auch wegen ihrer übrigen Sünden zur Bezeugung seiner Gerechtigkeit zu verdammen und ewig zu strafen beschlossen hat. Und dies ist der Ratschluss der Verwerfung, der Gott keineswegs zum Urheber der Sünde (das zu denken eine Lästerung wäre), sondern zum furchtbaren, untadeligen und gerechten Richter und Rächer macht.
Artikel 16
Diejenigen, welche den lebendigen Glauben an Christus oder die sichere Zuversicht des Herzens, den Frieden des Gewissens, das Bestreben nach kindlichem Gehorsam, den Ruhm in Gott durch Christus in sich noch nicht wirksam fühlen, aber doch die Mittel, durch die Gott dies in uns hervorzurufen versprochen hat, gebrauchen, diese müssen durch die Erwähnung der Verwerfung sich nicht irremachen lassen, auch sich nicht zu den Verworfenen zählen, sondern im Gebrauch der Mittel eifrig fortfahren und die Stunde der reichlicheren Gnade heiß ersehnen und ehrfurchtsvoll und demütig erwarten. Weit weniger noch brauchen sich diejenigen durch die Lehre von der Verwerfung schrecken zu lassen, welche, während sie ernstlich wünschen, zu Gott sich zu bekehren, ihm einzig zu gefallen und von dem Leib des Todes erlöst zu werden, auf dem Weg der Frömmigkeit und des Glaubens noch nicht bis dahin, wohin sie wollen, kommen können, da ja der barmherzige Gott versprochen hat, er wolle den glimmenden Docht nicht auslöschen und das zerstoßene Rohr nicht zerbrechen. Denen aber gereicht diese Lehre mit Recht zum Schrecken, welche, Gottes und unseres Heilandes Jesus Christus vergessend, sich den Sorgen der Welt und den Vergnügungen des Fleisches völlig überlassen, solange sie sich nicht ernstlich zu Gott bekehren.
Artikel 17
Da wir über den Willen Gottes aus seinem eigenen Wort urteilen müssen, welches bezeugt, dass die Kinder der Gläubigen heilig sind, zwar nicht von Natur, aber durch die Wohltat des Gnadenbundes, in welchen jene mit den Eltern eingeschlossen werden, so dürfen fromme Eltern an der Erwählung und der Seligkeit ihrer Kinder, die Gott in der Kindheit aus diesem Leben ruft, nicht zweifeln.
Artikel 18
Demjenigen aber, der gegen diese Gnade der unverdienten Erwählung und die Strenge der gerechten Verwerfung murrt, setzen wir die Worte des Apostels entgegen: »Ja, o Mensch, wer bist denn du, dass du mit Gott rechten willst? […]« (Röm 9,20). Und jenen Ausspruch unseres Erlösers: »Oder habe ich nicht Macht, mit dem Meinen zu tun, was ich will? […]« (Mt 20,15). Wir aber rufen, indem wir diese Geheimnisse ehrfurchtsvoll verehren, mit dem Apostel aus: »O welche Tiefe des Reichtums sowohl der Weisheit als auch der Erkenntnis Gottes! Wie unergründlich sind seine Gerichte, und wie unausforschlich seine Wege! Denn wer hat den Sinn des Herrn erkannt, oder wer ist sein Ratgeber gewesen? Oder wer hat ihm etwas zuvor gegeben, dass es ihm wieder vergolten werde? Denn von ihm und durch ihn und für ihn sind alle Dinge; ihm sei die Ehre in Ewigkeit! Amen.« (Röm 11,33–36).
VERWERFUNG DER IRRTÜMER
Nach Darlegung der rechtgläubigen Lehre von der Erwählung und Verwerfung verwerfen wir die Irrtümer derer:
1. Die lehren: »Der Wille Gottes, diejenigen, welche glauben und im Glauben und Gehorsam des Glaubens beharren würden, selig zu machen, sei der ganze und vollständige Ratschluss der Erwählung zur Seligkeit; und es sei nichts anderes über diesen Ratschluss im Wort Gottes offenbart.« Denn diese betrügen die Einfältigen und widersprechen offenbar der Heiligen Schrift, die bezeugt, dass Gott nicht nur die, welche glauben würden, selig machen wird, sondern auch bestimmte Menschen von Ewigkeit erwählt hat, die er vor anderen zur Zeit mit dem Glauben an Christus und der Beharrlichkeit in demselben beschenken wird, wie geschrieben steht: »Ich habe deinen Namen den Menschen offenbar gemacht, die du mir aus der Welt gegeben hast; […]« (Joh 17,6). Desgleichen: »[…] es wurden alle die gläubig, die zum ewigen Leben bestimmt waren.« (Apg 13,48). Und: »wie er uns in ihm auserwählt hat vor Grundlegung der Welt, […]« (Eph 1,4).
2. Die lehren: »Die Erwählung Gottes zum ewigen Leben sei mehrfach: die eine, allgemeine, unbestimmt, die andere eine besondere und bestimmte, und zwar wiederum entweder unvollständig, widerruflich, nichtentscheidend und bedingt, oder vollständig, unwiderruflich, entscheidend und unbedingt.« Ebenso: »Es sei eine andere Erwählung zum Glauben, eine andere zur Seligkeit, so dass die Erwählung zum rechtfertigenden Glauben ohne die entscheidende Erwählung zur Seligkeit stattfinden könne.« Denn dies ist eine Erdichtung des menschlichen Gehirns, ohne die Schrift ersonnen, die Lehre von der Erwählung verderbend und diese goldene Kette unserer Seligkeit lösend: »Die er aber vorherbestimmt hat, die hat er auch berufen, die er aber berufen hat, die hat er auch gerechtfertigt, die er aber gerechtfertigt hat, die hat er auch verherrlicht.« (Röm 8,30).
3. Die lehren: »Gottes Wohlgefallen und Vorsatz, dessen die Schrift bei der Lehre von der Erwählung erwähnt, bestehe nicht darin, dass Gott bestimmte Menschen vor anderen auserwähle, sondern darin, dass Gott aus allen möglichen Bedingungen (unter denen auch die Gesetzeswerke sind) oder aus der Reihe aller Dinge den Akt des Glaubens, obgleich an sich gering, und den unvollendeten Gehorsam des Glaubens zur Bedingung der Seligkeit auserwählt habe und gewollt habe, dass er ohne Verdienst als vollkommener Gehorsam angerechnet und der Belohnung des ewigen Lebens wert geachtet werde.« Denn durch diesen verderblichen Irrtum wird der Wille Gottes und das Verdienst Christi geschwächt, und die Leute werden durch unnütze Fragen von der Wahrheit der unverdienten Rechtfertigung und der Einfachheit der Schrift abgezogen und jene Worte des Apostels der Unrichtigkeit geziehen: »Er hat uns ja errettet und berufen mit einem heiligen Ruf, nicht aufgrund unserer Werke, sondern aufgrund seines eigenen Vorsatzes und der Gnade, die uns in Christus Jesus vor ewigen Zeiten gegeben wurde, …« (2Tim 1,9).
4. Die lehren: »Bei der Erwählung zum Glauben werde die Bedingung vorher verlangt, dass der Mensch das Licht der Natur recht gebrauche, dass er fromm, gebeugt, demütig und zum ewigen Leben geeignet sei, gleichsam als wenn hiervon die Erwählung einigermaßen abhinge.« Denn sie neigen sich dem Pelagius und beschuldigen ganz offen den unter den Aposteln eines Irrtums, der schreibt: »unter ihnen führten auch wir alle einst unser Leben in den Begierden unseres Fleisches, indem wir den Willen des Fleisches und der Gedanken taten; und wir waren von Natur Kinder des Zorns, wie auch die anderen. Gott aber, der reich ist an Erbarmen, hat um seiner großen Liebe willen, mit der er uns geliebt hat, auch uns, die wir tot waren durch die Übertretungen, mit dem Christus lebendig gemacht – aus Gnade seid ihr errettet! – und hat uns mitauferweckt und mitversetzt in die himmlischen [Regionen] in Christus Jesus, damit er in den kommenden Weltzeiten den überschwänglichen Reichtum seiner Gnade in Güte an uns erweise in Christus Jesus. Denn aus Gnade seid ihr errettet durch den Glauben, und das nicht aus euch – Gottes Gabe ist es; nicht aus Werken, damit niemand sich rühme.« (Eph 2,3–9).
5. Die lehren: »Die unvollständige und nichtentscheidende Erwählung einzelner Personen zur Seligkeit sei geschehen wegen vorhergesehenen Glaubens, Buße, angefangener oder eine Zeitlang fortgesetzter Frömmigkeit und Gottesfurcht, die vollständige aber und entscheidende wegen der bis zum Ende ausdauernden Beharrlichkeit im vorhergesehenen Glauben, in der Buße, Frömmigkeit und Gottesfurcht; und dies sei auch die durch Gnade erlangte evangelische Würdigkeit, wegen derer derjenige, der erwählt würde, würdiger sei als der, der nicht erwählt würde; und so seien ferner Glaube, Gehorsam im Glauben, Frömmigkeit, Gottesfurcht und Beharrlichkeit nicht Früchte oder Wirkungen der unveränderlichen Erwählung zur Herrlichkeit, sondern unerlässliche Bedingungen und Ursachen, welche bei dem zu Erwählenden vollständig vorausverlangt und als vollbracht vorhergesehen wären.« Dies widerstreitet der ganzen Schrift, welche diese sowie andere Aussprüche uns zu hören und zu beherzigen gibt: »[…] damit der gemäß der Auserwählung gefasste Vorsatz Gottes bestehen bleibe, nicht aufgrund von Werken, sondern aufgrund des Berufenden –, …« (Röm 9,11). »[…] es wurden alle die gläubig, die zum ewigen Leben bestimmt waren.« (Apg 13,48). »wie er uns in ihm auserwählt hat vor Grundlegung der Welt, damit wir heilig und tadellos vor ihm seien in Liebe.« (Eph 1,4). »Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt […]« (Joh 15,16). »Wenn aber aus Gnade, so ist es nicht mehr um der Werke willen; […]« (Röm 11,6). »Darin besteht die Liebe – nicht dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt hat und seinen Sohn gesandt hat […]« (1Joh 4,10).
6. Die lehren: »Nicht jede Erwählung zur Seligkeit sei unabänderlich, sondern einige Erwählte könnten, ohne dass ein Beschluss Gottes entgegenstände, verlorengehen und ewig verlorengehen.« Durch diesen groben Irrtum machen sie Gott veränderlich und stürzen den Trost der Frommen über die Beständigkeit ihrer Erwählung um und widersprechen den heiligen Schriften, die lehren, die Erwählten könnten nicht irregeführt werden; Christus verliere die ihm vom Vater Gegebenen nicht; Gott habe, die er vorherbestimmt, berufen und gerechtfertigt habe, auch verherrlicht.
7. Die lehren: »Es gebe in diesem Leben keine Frucht, kein Gefühl, keine Gewissheit von der unveränderlichen Erwählung zur Herrlichkeit als aus der veränderlichen und ungewissen Bedingung.« Denn abgesehen davon, dass es sinnwidrig ist, eine ungewisse Gewissheit anzunehmen, so widerstreitet es der Erfahrung der Frommen, welche mit dem Apostel aus Gefühl ihrer Erwählung frohlocken und diese Wohltat Gottes feiern, die sich freuen mit den Jüngern nach Christi Ermahnung, dass ihre Namen geschrieben sind im Himmel, welche endlich das Gefühl ihrer Erwählung den feurigen Geschossen der teuflischen Versuchungen entgegensetzen und fragen: »Wer will gegen die Auserwählten Gottes Anklage erheben? Gott [ist es doch], der rechtfertigt!« (Röm 8,33).
8. Die lehren: »Gott habe nach seinem lauteren, gerechten Willen beschlossen, niemanden in dem Fall Adams und in dem allgemeinen Zustand der Sünde und Verdammnis zu lassen oder bei der Mitteilung der zum Glauben und zur Bekehrung notwendigen Gnade zu übergehen.« Denn das steht fest: »So erbarmt er sich nun, über wen er will, und verstockt, wen er will.« (Röm 9,18). Und: »[…] Weil es euch gegeben ist, die Geheimnisse des Reiches der Himmel zu verstehen; jenen aber ist es nicht gegeben.« (Mt 13,11). Ebenfalls: »[…] Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, dass du dies vor den Weisen und Klugen verborgen und es den Unmündigen geoffenbart hast! Ja, Vater, denn so ist es wohlgefällig gewesen vor dir.« (Mt 11,25.26).
9. Die lehren: »Die Ursache, warum Gott lieber zu diesem als zu einem anderen Volk das Evangelium schicke, sei nicht das reine und alleinige Belieben Gottes, sondern weil dies Volk besser und würdiger sei als das, dem das Evangelium nicht mitgeteilt würde.« Denn dem widerspricht Moses, indem er das Volk so anredet: »Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel und die Erde und alles, was in ihr ist, gehört dem Herrn, deinem Gott; dennoch hat der Herr allein deinen Vätern sein Herz zugewandt, dass er sie liebte; und er hat ihren Samen nach ihnen aus allen Völkern erwählt, nämlich euch, wie es heute der Fall ist.« (5Mo 10,14.15). Und Christus sagt: »Wehe dir, Chorazin! Wehe dir, Bethsaida! Denn wenn in Tyrus und Zidon die Wundertaten geschehen wären, die bei euch geschehen sind, so hätten sie längst in Sack und Asche Buße getan.« (Mt 11,21).
ZWEITES LEHRSTÜCK: VOM TODE CHRISTI UND DER ERLÖSUNG DER MENSCHEN DURCH DENSELBEN
Artikel 1
Gott ist nicht nur im höchsten Grade barmherzig, sondern auch im höchsten Grade gerecht. Es fordert aber seine Gerechtigkeit (wie sie sich im Wort offenbart hat), dass unsere Sünden, die gegen seine unendliche Majestät begangen sind, nicht nur mit zeitlichen, sondern auch mit ewigen, sowohl geistigen als körperlichen Strafen bestraft werden. Diesen Strafen können wir nicht entfliehen, wenn nicht der Gerechtigkeit Gottes Genüge geschieht.
Artikel 2
Da wir aber nicht selbst Genüge leisten und uns vom Zorn Gottes befreien können, so hat Gott aus unendlicher Barmherzigkeit uns seinen eingeborenen Sohn zum Bürgen gegeben, der, damit er für uns Genüge leistete, für uns oder an unserer Statt zur Sünde und zum Fluch am Kreuz geworden ist.
Artikel 3
Dieser Tod des Sohnes Gottes ist das einzige und vollkommenste Opfer und Genugtuung für die Sünden, unendlich an Kraft und Wert, überflüssig genügend, die Sünden der ganzen Welt zu sühnen.
Artikel 4
Deshalb ist dieser Tod von so großer Kraft und so großem Wert, weil die Person, welche ihn erlitt, nicht nur ein wahrer und vollkommen heiliger Mensch ist, sondern auch der eingeborene Sohn Gottes, desselben ewigen und unendlichen Wesens mit dem Vater und dem Heiligen Geist, wie unser Heiland sein musste. Sodann, weil sein Tod mit dem Gefühl des Zornes Gottes und des Fluches, den wir durch unsere Sünden verdient hatten, verbunden ist.
Artikel 5
Übrigens ist es die Verheißung des Evangeliums, dass wer an den gekreuzigten Christus glaubt, nicht verlorengeht, sondern das ewige Leben hat. Diese Verheißung muss allen Völkern und Menschen, zu denen Gott das Evangelium nach seinem Wohlgefallen sendet, gemeinschaftlich und ohne Unterschied verkündigt und vorgestellt werden mit dem Befehl zur Buße und zum Glauben.
Artikel 6
Dass aber viele, die durch das Evangelium berufen sind, nicht in sich gehen und nicht an Christus glauben, sondern durch Unglauben umkommen, das geschieht nicht, weil dem am Kreuz dargebrachten Opfer Christi etwas fehlt oder weil es nicht ausreicht, sondern durch ihre eigene Schuld.
Artikel 7
Soviele aber wahrhaft glauben und durch den Tod Christi von den Sünden und vom Untergang befreit und errettet werden, denen wird diese Wohltat nur aus Gnade Gottes, die er niemandem schuldig ist und die ihnen von Ewigkeit her in Christus gegeben ist, zuteil.
Artikel 8
Dies war nämlich ein völlig freier Entschluss Gottes, des Vaters, und sein gnadenvoller Wille und Zweck, dass die belebende und beseligende Kraft des kostbaren Todes seines Sohnes sich an allen Erwählten zeigt, um sie allein mit dem rechtfertigenden Glauben zu beschenken und durch ihn untrüglich zur Seligkeit zu führen. Das heißt: Gott wollte, dass Christus durch das Blut des Kreuzes (mit dem er den neuen Bund besiegelte) aus allen Völkern, Stämmen, Geschlechtern und Zungen diejenigen alle und allein, welche von Ewigkeit zur Seligkeit erwählt und ihm vom Vater gegeben sind, kräftiglich erlöst, mit dem Glauben (den er ihnen, wie andere heilbringende Gaben des Heiligen Geistes, durch seinen Tod erwarb) beschenkt, sie von allen Sünden, sowohl von der Erbsünde als von wirklich begangenen Sünden, sowohl nach als vor dem Glauben, durch sein Blut reinigt, bis zum Ende treu bewacht und endlich frei von allem Flecken und Fehl herrlich vor ihn stellt.
Artikel 9
Dieser Entschluss, der aus der ewigen Liebe zu den Erwählten hervorgegangen ist, ist von Anfang der Welt bis auf die gegenwärtige Zeit, indem die Pforten der Hölle sich vergeblich widersetzten, mächtig erfüllt und wird auch noch fortlaufend erfüllt, und zwar so, dass die Erwählten zu seiner Zeit zu einer Vereinigung versammelt werden sollen und dass immer eine Kirche der Gläubigen auf das Blut Christi gegründet ist, welche jenen ihren Heiland, der für sie, gleich wie ein Bräutigam für die Braut, sein Leben am Kreuz hingab, beständig liebt, fortwährend verehrt und hier und in alle Ewigkeit preist.
VERWERFUNG DER IRRTÜMER
Nach Darlegung der rechtgläubigen Lehre verwerfen wir die Irrtümer derer:
1. Die lehren, »dass Gott, der Vater, seinen Sohn zum Kreuzestod bestimmt hätte ohne die bestimmte und entscheidende Absicht, irgend jemanden bestimmt selig zu machen, so dass für die Erwerbung des Todes Christi die Notwendigkeit, der Nutzen, die Würde unbeschadet und in jeder Beziehung vollendet, vollständig und unversehrt hätte bestehen können, wenn auch die erworbene Erlösung keinem Einzelnen in der Wirklichkeit zuteil geworden wäre.« Denn diese Behauptung ist beschimpfend für die Weisheit Gottes, des Vaters, und den Tod Jesu Christi und der Heiligen Schrift entgegen. Denn so spricht der Erlöser: »Ich lasse das Leben für die Schafe und kenne sie« (vgl. Joh 10,14.17). Und vom Erlöser sagt der Prophet Jesaja: »[…]Wenn er sein Leben zum Schuldopfer gegeben hat, so wird er Nachkommen sehen und seine Tage verlängern; und das Vorhaben des Herrn wird in seiner Hand gelingen.« (Jes 53,10). Endlich stößt es den Glaubenssatz um, nach dem wir an eine Kirche glauben.
2. Die lehren: »Das sei nicht der Zweck des Todes Christi gewesen, dass er ein neues Bündnis der Gnade durch sein Blut besiegele, sondern dass er dem Vater das bloße Recht erwerbe, jedwedes Bündnis, sei es der Gnade oder der Werke, mit dem Menschen von neuem einzugehen.« Denn dies widerstreitet der Schrift, die lehrt, dass Christus zum Bürgen und Mittler eines besseren, das heißt des neuen Bundes gemacht ist; und: Ein Testament erst nach dem Tode gültig ist.
3. Die lehren: »Christus habe durch seine Genugtuung niemandem bestimmt das Heil und den Glauben erworben, durch den diese Genugtuung Christi wirksam zur Seligkeit zugeeignet würde, sondern habe nur dem Vater die Gelegenheit oder den völligen Willen gegeben, von neuem mit den Menschen zu unterhandeln und neue Bedingungen, welche er wollte, vorzuschreiben, deren Erfüllung von dem freien Willen des Menschen abhinge, und so könnte es geschehen, dass niemand oder auch alle sie erfüllten.« Denn diese haben vom Tod Christi eine zu verächtliche Meinung, erkennen die vorzügliche Frucht oder Wohltat, die durch ihn hervorgebracht ist, auf keine Weise an und rufen den Irrtum der Pelagianer aus der Hölle zurück.
4. Die lehren: »Jenes neue Bündnis der Gnade, was Gott, der Vater, durch Vermittlung des Todes Christi mit den Menschen schloss, bestehe nicht darin, dass wir durch den Glauben, soviel er das Verdienst Christi annimmt, gerechtfertigt und selig gemacht würden; sondern darin, dass Gott, nachdem die Ausübung des völligen Gehorsams gegen das Gesetz abgeschafft sei, den Glauben selbst und den unvollendeten Gehorsam im Glauben als vollkommenen Gehorsam gegen das Gesetz anrechne und gnädig der Belohnung des ewigen Lebens würdig erachte.« Denn diese widersprechen der Schrift: »so dass sie ohne Verdienst gerechtfertigt werden durch seine Gnade aufgrund der Erlösung, die in Christus Jesus ist. Ihn hat Gott zum Sühnopfer bestimmt, [das wirksam wird] durch den Glauben an sein Blut, um seine Gerechtigkeit zu erweisen, weil er die Sünden ungestraft ließ, die zuvor geschehen waren, …« (Röm 3,24.25); und führen mit dem gottlosen Sozinus eine neue und fremdartige Rechtfertigung des Menschen vor Gott, gegen die einstimmige Lehre der ganzen Kirche, ein.
5. Die lehren: »Alle Menschen seien in den Zustand der Versöhnung und in die Gnade des Bundes aufgenommen, so dass niemand wegen der Erbsünde der Verdammung schuldig oder verdammlich wäre, sondern alle von der Schuld dieser Sünde frei wären.« Denn diese Meinung widerstreitet der Schrift, die behauptet, wir seien von Natur Kinder des Zorns.
6. Diejenigen, welche den Unterschied der Erwerbung und Aneignung so gebrauchen, dass sie Unvorsichtigen und Unerfahrenen die Meinung einflößen: »Gott wolle, soviel an ihm liege, allen Menschen auf gleiche Weise die Wohltaten zuteilen, welche durch Christi Tod erlangt werden. Dass aber einige vor anderen der Vergebung der Sünden und des ewigen Lebens teilhaftig würden, der Unterschied hänge ab von ihrem freien Willen, der sich zu der ohne Unterschied dargebotenen Gnade wende, nicht aber nach einer besonderen Gabe der Barmherzigkeit, die kräftiglich in ihnen wirke, so dass sie vor anderen sich diese Gnade aneigneten.« Denn während diese vorgeben, diese Unterscheidung im vernünftigen Sinne vorzutragen, wagen sie es, dem Volk das verderbliche Gift des Pelagianismus beizubringen.
7. Die lehren: »Christus habe für die, welche Gott außerordentlich geliebt und zum ewigen Leben bestimmt habe, nicht sterben können und müssen, auch sei er nicht für sie gestorben, da für solche der Tod Christi nicht nötig sei.« Sie widerstreiten dem Apostel, der sagt: »[…] das lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich selbst für mich hingegeben hat.« (Gal 2,20); auch: »Wer will gegen die Auserwählten Gottes Anklage erheben? Gott [ist es doch], der rechtfertigt! Wer will verurteilen? Christus [ist es doch], der gestorben ist, ja mehr noch, der auch auferweckt ist, der auch zur Rechten Gottes ist, der auch für uns eintritt!« (Röm 8,33.34), nämlich für sie; und widersprechen dem Erlöser, der sagt: »[…] ich lasse mein Leben für die Schafe.« (Joh 10,15); und: »Das ist mein Gebot, dass ihr einander liebt, gleichwie ich euch geliebt habe. Größere Liebe hat niemand als die, dass einer sein Leben lässt für seine Freunde.« (Joh 15,12.13).
DRITTES UND VIERTES LEHRSTÜCK: VON DER VERDERBNIS DES MENSCHEN UND SEINER BEKEHRUNG ZU GOTT UND DER ART UND WEISE DERSELBEN
Artikel 1
Der Mensch ist ursprünglich nach dem Bild Gottes geschaffen, in seinem Verstand mit der wahren und heilbringenden Kenntnis seines Schöpfers und der geistlichen Dinge, mit Gerechtigkeit in Willen und Herz und mit Reinheit in allen seinen Trieben geschmückt, und war so völlig heilig; allein auf Antrieb des Teufels und nach seinem freien Willen sich von Gott abwendend, beraubte er sich selbst dieser ausgezeichneten Gaben und zog sich im Gegenteil an ihrer Statt Blindheit, fürchterliche Finsternis, Eitelkeit und Verkehrtheit des Urteils in seinem Verstand, Bosheit, Widersetzlichkeit und Verhärtung in Willen und Herz, Unreinheit endlich in allen seinen Trieben zu.
Artikel 2
Wie der Mensch aber nach dem Fall war, solche Kinder zeugte er auch, nämlich als ein Verderbter verderbte, indem die Verderbnis von Adam auf alle Nachkommen (mit alleiniger Ausnahme Christi) nicht durch Nachahmung (was einst die Pelagianer behaupteten), sondern durch Fortpflanzung der sündhaften Natur nach gerechtem Urteil Gottes übergeleitet ist.
Artikel 3
So werden denn alle Menschen in Sünde empfangen und als Kinder des Zorns geboren, unfähig zu allem seligmachenden Guten, geneigt zum Bösen, in der Sünde tot und Knechte der Sünde; und ohne die Gnade des wiedergebärenden Heiligen Geistes wollen und können sie nicht zu Gott zurückkehren, die verderbte Natur verbessern oder sich zu ihrer Verbesserung fähig machen.
Artikel 4
Zwar ist nach dem Fall im Menschen etwas natürliches Licht zurückgeblieben, durch dessen Wohltat er einige Kenntnis von Gott, von natürlichen Dingen, vom Unterschied zwischen Recht und Unrecht behält und eine gewisse Neigung zur Tugend und äußeren Zucht zeigt; er ist jedoch so weit davon entfernt, dass er durch dieses natürliche Licht zur heilbringenden Erkenntnis Gottes gelangen und sich zu ihm bekehren könnte, dass er es nicht einmal bei natürlichen und weltlichen Dingen recht gebraucht, ja sogar es, welcher Art es auch sein mag, auf verschiedene Weise völlig verdirbt und in Ungerechtigkeit unterdrückt, so dass er dadurch vor Gott ohne Entschuldigung wird.
Artikel 5
Auf gleiche Weise wie mit dem natürlichen Licht verhält es sich mit den Zehn Geboten, die den Juden insbesondere durch Moses von Gott gegeben wurden: Denn da sie zwar die Größe der Sünde aufdecken und den Menschen mehr und mehr von seiner Schuld überzeugen, aber kein Mittel dagegen gewähren noch Kraft, sich aus dem Elend herauszureißen, bieten und so, im Fleische schwach, den Übertreter unter dem Fluch lassen, so kann der Mensch durch sie die seligmachende Gnade nicht erlangen.
Artikel 6
Was daher weder das natürliche Licht noch das Gesetz vermag, das leistet Gott durch die Kraft des Heiligen Geistes, durch die Predigt oder den Dienst der Versöhnung, welches das Evangelium vom Messias ist, durch welches Gott die gläubigen Menschen sowohl im Alten als Neuen Testament selig zu machen beschlossen hat.
Artikel 7
Dieses Geheimnis seines Willens hat Gott im Alten Testament wenigeren offenbart, im Neuen Testament tut er es mehreren kund, indem schon der Unterschied der Völker aufgehoben ist. Die Ursache dieser Erteilung ist nicht darin zu suchen, dass ein Volk vor dem anderen würdig sei oder das natürliche Licht besser benutzt hätte, sondern in das freie Belieben und die unverdiente Liebe Gottes zu setzen. Deshalb müssen die, denen ohne und gegen alles Verdienst eine so große Gnade wird, sie mit demütigem und dankbarem Herzen anerkennen, bei den übrigen aber, denen diese Gnade nicht zuteil wird, die Strenge und Gerechtigkeit der Gerichte Gottes mit dem Apostel verehren, keineswegs aber sie neugierig zu erforschen suchen.
Artikel 8
So viele aber durch das Evangelium berufen werden, die werden ernstlich berufen. Denn ernstlich und durchaus wahr zeigt Gott durch sein Wort, was ihm angenehm sei, nämlich dass die Berufenen zu ihm kommen sollen. Ernstlich verspricht er auch allen, die zu ihm kommen und glauben, Ruhe der Seelen und ewiges Leben.
Artikel 9
Dass viele, die durch den Dienst des Evangeliums berufen sind, nicht kommen und sich nicht bekehren, davon liegt die Schuld nicht im Evangelium oder in Christus, der uns durch das Evangelium dargeboten wird, noch in Gott, der durch das Evangelium beruft und verschiedene Gaben mitteilt, sondern an den Berufenen selbst, von denen einige nur allzu sicher das göttliche Wort des Lebens nicht annehmen; andere zwar annehmen, es aber nicht in ihr Herz aufnehmen und deshalb nach der eitlen Freude eines einstweiligen Glaubens wieder zurückfallen; andere ersticken den Samen des Wortes mit den Dornen der Sorgen und den Vergnügungen der Welt und tragen keine Früchte; wie es unser Heiland in der Parabel vom Sämann zeigt.
Artikel 10
Dass aber andere, die durch den Dienst des Evangeliums berufen sind, kommen und sich bekehren, das ist nicht dem Menschen zuzuschreiben, als wenn er sich durch seinen freien Willen von anderen, die mit gleicher oder wenigstens hinreichender Gnade zum Glauben und zur Bekehrung begabt sind, trenne (was die übermütige Ketzerei des Pelagius annahm), sondern Gott, der, wie er die Seinigen von Ewigkeit in Christus erlesen hat, so auch dieselben zur Zeit wirksam beruft, mit Glauben und Bußfertigkeit beschenkt, sie aus der Gewalt der Finsternis reißt und in seines Sohnes Reich führt, damit sie die Vollkommenheiten dessen, der sie aus der Finsternis zu diesem wunderbaren Licht berufen hat, preisen und sich nicht in sich, sondern im Herrn rühmen sollen. Dies bezeugen die apostolischen Schriften an mehreren Stellen.
Artikel 11
Übrigens, wenn Gott diesen seinen Beschluss an den Erwählten ausführt oder bei ihnen eine wahre Bekehrung bewirkt, so lässt er ihnen nicht nur das Evangelium äußerlich predigen und erleuchtet ihren Geist mächtig durch den Heiligen Geist, dass sie richtig einsehen und beurteilen, was vom Geist Gottes ist, sondern er dringt auch durch die Kraft dieses wiedergebärenden Heiligen Geistes ins Innerste des Menschen, öffnet das verschlossene Herz, erweicht das Verhärtete, beschneidet das Unbeschnittene, flößt dem Willen neue Eigenschaften ein, macht ihn aus einem toten zum lebendigen, aus einem bösen zum guten, aus einem nichtwollenden zum wollenden, aus einem widerspenstigen zum folgsamen und leitet und stärkt ihn, dass er wie ein guter Baum die Früchte guter Werke hervorbringen kann.
Artikel 12
Und dies ist die in der Schrift so herrlich gepredigte Wiedergeburt, neue Schöpfung, Erweckung von den Toten und Belebung, welche Gott ohne uns in uns bewirkt. Sie wird aber nicht hervorgebracht nur durch eine von außen herkommende Lehre, sittliche Ermahnung oder eine solche Art der Wirkung, dass nach dem Wirken Gottes (seinerseits) es in der Gewalt des Menschen stehe, wiedergeboren zu werden oder auch nicht, bekehrt zu werden oder auch nicht; sondern es ist eine völlig übernatürliche, sehr mächtige und zugleich sehr angenehme, wunderbare, geheimnisvolle und unaussprechliche Wirkung, welche in Rücksicht auf ihre Kraft nach der Heiligen Schrift (welche von dem Urheber dieser Wirkung eingegeben ist) weder kleiner noch geringer ist als die Schöpfung und die Auferweckung der Toten, dermaßen, dass alle, in deren Herzen Gott auf diese wunderbare Art wirkt, sicher unfehlbar und kräftiglich wiedergeboren werden und in der Tat glauben. Und dann wird der erneuerte Wille nicht nur von Gott getrieben und bewegt, sondern, von Gott getrieben, handelt er auch selbst. Deshalb wird auch mit Recht vom Menschen selbst gesagt, dass er durch diese empfangene Gnade glaube und sich bessere.
Artikel 13
Die Art dieser Wirkung können die Gläubigen in diesem Leben nicht völlig begreifen; jedoch beruhigen sie sich dabei, dass sie wissen und fühlen, dass sie durch diese Gnade Gottes von Herzen glauben und ihren Heiland lieben.
Artikel 14
So ist daher der Glaube ein Geschenk Gottes, nicht weil er dem freien Willen des Menschen von Gott dargeboten wird, sondern weil er dem Menschen wirklich erteilt, eingehaucht und eingeflößt wird. Auch nicht dadurch, dass Gott nur die Fähigkeit zu glauben erteilte, die Zustimmung aber und die Tatsache des Glaubens erst von dem Willen des Menschen erwartete, sondern weil das Glauben-Wollen sowohl als das Glauben selbst der im Menschen bewirkt, der das Wollen und Vollbringen wirkt und so alles in allen wirkt.
Artikel 15
Diese Gnade ist Gott niemandem schuldig; denn was sollte er dem schuldig sein, der nichts zuvor geben kann, dass es ihm vergolten würde? Ja, was sollte er dem schuldig sein, der aus sich nichts hat als Sünde und Lüge? Wer daher jene Gnade empfängt, schuldet und bezeigt Gott allein ewig Dank; wer jene nicht empfängt, der kümmert sich entweder überhaupt um geistliche Dinge nicht und gefällt sich in seinem Wesen, oder rühmt sich töricht in seiner Sicherheit zu haben, was er nicht hat. Ferner ist von denen, die äußerlich sich zum Glauben bekennen und ihr Leben bessern, nach dem Beispiel der Apostel aufs beste zu urteilen und zu sprechen, denn das Innerste des Herzens kennen wir nicht. Für die aber, die nicht berufen sind, muss man Gott anflehen, der das, was nicht ist, ruft, als wäre es. Keineswegs aber muss man gegen sie stolz sein, als ob wir uns selbst ausgeschieden hätten.
Artikel 16
Wie aber durch den Fall der Mensch nicht aufgehört hat, ein Mensch zu sein, mit Verstand und Willen begabt, und auch die Sünde, die sich über das ganze Menschengeschlecht verbreitet hat, die Natur des Menschengeschlechts nicht aufgehoben hat, sondern verdorben und geistlich getötet, so wirkt auch diese göttliche Gnade der Wiedergeburt in den Menschen nicht wie in Klötzen oder Stöcken und hebt nicht den Willen und seine Eigenschaften auf oder zwingt ihn gewaltsam gegen seine Neigung, sondern macht ihn geistlich lebendig, heilt, bessert und beugt ihn gelinde und mächtig zugleich, so dass, wo früher Widerspenstigkeit und Widersetzlichkeit des Fleisches herrschte, nun bereitwilliger und reiner Gehorsam des Geistes zu herrschen anfängt, worin die wahre und geistliche Erneuerung und Freiheit unseres Willens besteht. Wenn der bewunderungswürdige Schöpfer alles Guten nicht auf diese Weise mit uns verführe, so hätte der Mensch keine Hoffnung, sich aus dem Fall zu erheben durch den freien Willen, durch den er sich, als er noch stand, ins Verderben stürzte.
Artikel 17
Wie auch jene allmächtige Wirkung Gottes, durch die er unser natürliches Leben fortführt und erhält, den Gebrauch von Mitteln, durch die Gott seiner unendlichen Weisheit und Güte gemäß diese seine Kraft äußern wollte, nicht ausschließt, sondern erfordert, so schließt auch diese genannte übernatürliche Wirkung Gottes, durch die er uns wiedergeboren werden lässt, keineswegs den Gebrauch des Evangeliums, das der allweise Gott zum Samen der Wiedergeburt und zur Speise der Seele verordnete, aus oder stört ihn. Wie daher die Apostel und die Lehrer, die ihnen gefolgt sind, über diese Gnade Gottes zu seinem Ruhm und zur Unterdrückung alles Stolzes das Volk mit Frömmigkeit unterrichtet haben, unterdessen aber nicht vernachlässigt haben, es durch die heiligen Ermahnungen des Evangeliums und der Übung des Wortes, der Sakramente und der Zucht zu halten, so sei es auch noch jetzt fern, dass Lehrende oder Lernende in der Kirche Gott damit zu versuchen wagen, dass sie das trennen, was Gott nach seinem Erachten eng verbunden wissen wollte. Denn durch Ermahnungen wird die Gnade mitgeteilt, und je gewissenhafter wir unsere Pflicht tun, desto herrlicher pflegt in uns die Wohltat Gottes, der sie wirkt, zu sein, und sein Werk geht am besten vonstatten. Ihm allein gebührt für die Mittel und ihre seligmachende Frucht und Wirksamkeit Ruhm in Ewigkeit. Amen.
VERWERFUNG DER IRRTÜMER
Nach Darlegung der rechtgläubigen Lehre verwerfen wir die Irrtümer derer:
1. Die lehren: »Es könne nicht eigentlich gesagt werden, dass die Erbsünde an sich hinreiche, das ganze Menschengeschlecht zu verdammen, oder dass es zeitliche und ewige Strafen verdiene.« Denn sie widersprechen dem Apostel, der sagt: »Darum, gleichwie durch einen Menschen die Sünde in die Welt gekommen ist und durch die Sünde der Tod, und so der Tod zu allen Menschen hingelangt ist, weil sie alle gesündigt haben …« (Röm 5,12 )Und: »[…] Denn das Urteil [führt] aus der einen [Übertretung] zur Verurteilung; […]« (Röm 5,16). Ebenso: »Denn der Lohn der Sünde ist der Tod; […]« (Röm 6,12).
2. Die lehren: »Die geistlichen Gaben oder guten Zustände und Eigenschaften, als da sind: Güte, Heiligkeit, Gerechtigkeit, hätten in dem Willen des Menschen, als er zuerst geschaffen wurde, nicht stattfinden und demnach auch beim Fall von ihm nicht getrennt werden können.« Denn dies streitet mit der Beschreibung des Bildes Gottes, das der Apostel in Epheser 4,24 gibt, wo er es nach der Gerechtigkeit und Heiligkeit beschreibt, die ihre Stelle durchaus im Willen haben.
3. Die lehren: »Die geistlichen Gaben seien im geistlichen Tod nicht vom Willen des Menschen getrennt, da der Wille in sich niemals verdorben gewesen sei, sondern nur durch die Finsternis des Geistes und Unordnung der Leidenschaften gehindert. Wenn diese Hindernisse gehoben seien, könne er die ihm angeborene freie Kraft ausüben, das heißt, jedwedes Gute, das ihm vorkommt, aus sich selbst zu wollen und zu erwählen oder nicht zu wollen und nicht zu erwählen.« Dies ist neu und irrtümlich und macht, dass dadurch die Kraft des freien Willens erhoben wird, gegen den Ausspruch des Jeremias: »Überaus trügerisch ist das Herz und bösartig; wer kann es ergründen?« (Jer 17,9), und des Apostels: »unter ihnen [den widerspenstigen Menschen] führten auch wir alle einst unser Leben in den Begierden unseres Fleisches, indem wir den Willen des Fleisches und der Gedanken taten; […]« (Eph. 2,3).
4. Die lehren: »Der unwiedergeborene Mensch sei nicht eigentlich und nicht ganz in den Sünden tot oder aller Kräfte zum geistlich Guten beraubt, sondern könne nach Gerechtigkeit oder Leben hungern und dürsten und ein Opfer eines zerschlagenen und zerknirschten Geistes, das Gott annehmlich ist, darbringen.« Denn dies streitet mit deutlichen Aussprüchen der Schrift: »Auch euch, die ihr tot wart durch Übertretungen und Sünden, …« (Eph 2,1). Und : »Als aber der Herr sah, dass die Bosheit des Menschen sehr groß war auf der Erde und alles Trachten der Gedanken seines Herzens allezeit nur böse, …« (1Mo 6,5). Und: »[…] obwohl das Trachten des menschlichen Herzens böse ist von seiner Jugend an; […]« (1Mo 8,21). Deshalb ist das nach Befreiung aus dem Elend und dem Leben Hungern und Dürsten und Gott ein Opfer eines zerknirschten Geistes Darbringen eine Sache der Wiedergeborenen und derer, die selig genannt werden.
5. Die lehren, »dass der verderbte und natürliche Mensch das allgemeine Licht der Natur, das er hat, oder die Gaben, die nach dem Fall geblieben wären, so richtig gebrauchen könne, dass er durch diesen guten Gebrauch eine größere Gnade, nämlich evangelische oder seligmachende, und das Heil selbst stufenweise erreichen könne. Und auf diese Weise zeige sich Gott seinerseits bereit, Christus allen zu offenbaren, da er die Mittel zur Offenbarung Christi, zum Glauben und zur Bekehrung allen hinlänglich und kräftiglich darböte.« Dass dies falsch sei, bezeugt außer der Erfahrung aller Zeiten die Schrift: »Er verkündet Jakob sein Wort, Israel seine Satzungen und Rechtsbestimmungen. So hat er an keinem Heidenvolk gehandelt, und die Rechtsbestimmungen kennen sie nicht. Hallelujah!« (Ps 147,19.20). »Er ließ in den vergangenen Generationen alle Heiden ihre eigenen Wege gehen; …« (Apg 16,16). : »Als sie [Paulus und die Seinigen] aber Phrygien und das Gebiet Galatiens durchzogen, wurde ihnen vom Heiligen Geist gewehrt, das Wort in [der Provinz] Asia zu verkündigen. Als sie nach Mysien kamen, versuchten sie, nach Bithynien zu reisen; und der Geist ließ es ihnen nicht zu.« (Apg 16,6.7).
6. Die lehren: »Bei der wahren Bekehrung des Menschen könnten nicht neue Eigenschaften, Anlagen oder Gaben von Gott dem Willen eingeflößt werden, und so sei der Glaube, durch den wir zuerst bekehrt werden und von dem wir Gläubige genannt werden, keine Eigenschaft oder Gabe von Gott eingeflößt, sondern nur eine Tat des Menschen und könne nicht anders eine Gabe genannt werden, als in Hinsicht auf das Vermögen, zu ihm zu gelangen.« Dies widerspricht den heiligen Schriften, welche bezeugen, dass Gott die neuen Eigenschaften des Glaubens, des Gehorsams und der Liebe zu ihm unseren Herzen einflöße. »[…] Ich will mein Gesetz in ihr Innerstes hineinlegen und es auf ihre Herzen schreiben, […]« (Jer 31,33).»Denn ich werde Wasser auf das Durstige gießen und Ströme auf das Dürre; ich werde meinen Geist auf deinen Samen ausgießen und meinen Segen auf deine Sprösslinge, …« (Jes 41,3). »denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben worden ist.« (Röm 5,5). Es widerstreitet auch dem fortlaufenden Gebrauch der Kirche, die so beim Propheten betet: »[…] Bringe du mich zur Umkehr, so werde ich umkehren; […]« (Jer 31,18).
7. Die lehren: »Die Gnade, durch die wir zu Gott bekehrt würden, sei nichts anderes als ein leises Anraten. Oder [wie es andere erklären]: Die vornehmste Art zu wirken bei der Bekehrung des Menschen und die der menschlichen Natur am angemessenste sei diejenige, welche durch Anraten geschehe, und dass nichts hindere, dass auch diese anratende natürliche Menschen geistlich mache. Ja, Gott bringe auf keine andere Weise als durch Anraten die Zustimmung des Willens hervor. Und darin bestehe die Kraft der göttlichen Wirksamkeit, durch die sie die Wirksamkeit des Satans überwinde, dass Gott ewige Güter, der Satan aber zeitliche verspreche.« Dies ist ganz pelagianisch und der gesamten Schrift zuwider, welche außer dieser Art noch eine andere, weit wirksamere und göttlichere Art des Wirkens des Heiligen Geistes bei der Bekehrung des Menschen anerkennt. »Und ich will euch ein neues Herz geben und einen neuen Geist in euer Inneres legen; ich will das steinerne Herz aus eurem Fleisch wegnehmen und euch ein fleischernes Herz geben; …« (Hes. 36,26).
8. Die lehren: »Gott wende bei der Wiedergeburt des Menschen die Kräfte seiner Allmacht nicht an, durch welche er den Willen desselben zum Glauben und zur Bekehrung mit Gewalt und unfehlbar hinwenden würde, sondern, wenn auch alle Kräfte der Gnade, die Gott zur Bekehrung des Menschen gebrauche, angewandt wären, so könne doch der Mensch Gott und dem Geist, der seine Wiedergeburt bezwecke und ihn wiedergebären wolle, dermaßen widerstehen und widerstehe auch in der Tat oft, dass er seine Wiedergeburt durchaus hindere, und so bleibe es in seiner eigenen Gewalt, wiedergeboren zu werden oder auch nicht.« Dies heißt nichts anderes, als alle Wirksamkeit der Gnade Gottes bei unserer Bekehrung aufheben und die Tätigkeit des allmächtigen Gottes dem Willen des Menschen unterordnen, und das ist gegen die Apostel, die lehren, dass wir glauben nach der Wirksamkeit der gewaltigen Stärke Gottes. Und: Gott erfülle das unverdiente Wohlwollen seiner Güte und das Werk des Glaubens an uns mächtig. Desgleichen: Seine göttliche Kraft habe uns alles geschenkt, was zum Leben und zur Frömmigkeit gehöre.
9. Die lehren: »Die Gnade und der freie Wille seien zum Teil Ursachen, welche zugleich mitwirken zum Anfang der Bekehrung, und die Gnade gehe in der Ordnung der Ursachen nicht der Wirksamkeit des Willens voran. Dass heißt, Gott unterstütze den Willen des Menschen nicht eher wirksam zur Bekehrung, als bis des Menschen Wille selbst sich rühre und entscheide.« Diese Lehre hat die alte Kirche schon einst an den Pelagianern verdammt nach dem Apostel: »So liegt es nun nicht an jemandes Wollen oder Laufen, sondern an Gottes Erbarmen.« (Röm 9,16). Und : »Denn wer gibt dir den Vorzug? Und was besitzt du, das du nicht empfangen hast? […]« (1Kor 4,7). Ebenso: »denn Gott ist es, der in euch sowohl das Wollen als auch das Vollbringen wirkt nach seinem Wohlgefallen.« (Phil 2,13).
FÜNFTES LEHRSTÜCK: VOM BEHARREN DER HEILIGEN
Artikel 1
Diejenigen, welche Gott seinem Vorsatz gemäß zur Gemeinschaft seines Sohnes, unseres Herrn Jesus Christus, beruft und durch den Heiligen Geist wiedergeboren werden lässt, befreit er zwar von der Herrschaft und dem Joch der Sünde, aber in diesem Leben doch nicht völlig vom Fleisch und dem Körper der Sünde.
Artikel 2
Daher entstehen die täglichen Schwachheitssünden, und auch den besten Werken der Heiligen kleben Gebrechen an, die ihnen beständig Stoff darbieten, sich vor Gott zu demütigen, zum gekreuzigten Christus zu fliehen, das Fleisch mehr und mehr durch den Geist des Gebets und heilige Übungen der Frömmigkeit zu töten und nach dem Ziel der Vollkommenheit zu seufzen, so lange, bis sie, von diesem Körper des Todes befreit, mit dem Lamm Gottes im Himmel regieren.
Artikel 3
Wegen dieser Überbleibsel der inwohnenden Sünde und der Versuchungen der Welt und des Satans dazu könnten die Bekehrten nicht in dieser Gnade verbleiben, wenn sie ihren eigenen Kräften überlassen blieben. Aber Gott ist treu, der sie in der einmal erteilten Gnade barmherzig befestigt und in derselben bis zum Ende mächtig erhält.
Artikel 4
Wenn nun auch jene Macht Gottes, der die Gläubigen wahrhaft in der Gnade befestigt und erhält, größer ist als dass sie vom Fleisch überwunden werden könnte, so werden die Bekehrten doch nicht immer so von Gott geleitet und bewegt, dass sie nicht sollten in einzelnen Handlungen von der Führung der Gnade durch ihre Schuld abweichen und von den Begierden des Fleisches verführt werden und ihnen gehorchen. Deshalb müssen sie immerwährend wachen und beten, dass sie nicht in Versuchung geführt werden möchten. Wenn sie dies nicht tun, so können sie nicht nur vom Fleisch, von der Welt und vom Satan zu schweren und schlimmen Sünden hingerissen werden, sondern werden bisweilen auch mit gerechter Zustimmung Gottes wirklich hingerissen, was der traurige, in der Heiligen Schrift erzählte Fall des David, des Petrus und anderer Heiliger beweist.
Artikel 5
Durch solche außerordentliche Sünden aber erzürnen sie Gott sehr, machen sich des Todes schuldig, betrüben den Heiligen Geist, unterbrechen die Übung im Glauben, verletzen schwer das Gewissen und verlieren bisweilen auf einige Zeit das Gefühl der Gnade, bis ihnen, wenn sie durch ernstliche Bußfertigkeit auf den Weg zurückkehren, das väterliche Antlitz Gottes wiederum erglänzt.
Artikel 6
Denn Gott, der reich an Barmherzigkeit ist, nimmt nach dem unveränderlichen Ratschluss der Erwählung den Heiligen Geist auch bei traurigen Sündenfällen nicht ganz von den Seinen und lässt sie nicht so tief fallen, dass sie die Gnade der Kindschaft oder den Zustand der Rechtfertigung verlieren oder eine Todsünde oder eine Sünde gegen den Heiligen Geist begehen und, von ihm völlig verlassen, sich ins ewige Verderben stürzten.
Artikel 7
Denn zuerst bewahrt er bei solchen Sündenfällen bei ihnen seinen unsterblichen Samen, aus dem sie wiedergeboren sind, dass er nicht verdorben oder verloren werde. Sodann erneuert er sie durch sein Wort und seinen Geist gewiss und wirksam zur Buße, dass sie über die begangenen Sünden von Herzen nach Gottes Willen Schmerz empfinden, Vergebung im Blut des Mittlers durch den Glauben mit zerknirschtem Herzen erstreben und erlangen, die Gnade des versöhnten Gottes aufs Neue empfinden, seine Barmherzigkeit durch Glauben verehren und dann ferner ihr Heil mit Furcht und Zittern eifrig betreiben.
Artikel 8
So erlangen sie nicht durch ihr Verdienst oder ihre Kraft, sondern aus der unverdienten Barmherzigkeit Gottes, dass sie nicht völlig aus dem Glauben und der Gnade fallen und nicht endlich in Sünden bleiben und umkommen. Was sie anbetrifft, so könnte dies nicht nur leicht geschehen, sondern würde auch ohne Zweifel geschehen; in Betracht Gottes aber kann es gar nicht geschehen, da sein Ratschluss nicht verändert werden, seine Verheißung nicht ausbleiben, die Berufung nach dem Vorsatz nicht widerrufen, Christi Verdienst, Vermittlung und Schutz nicht ungültig gemacht und die Besiegelung des Heiligen Geistes nicht vereitelt oder vernichtet werden kann.
Artikel 9
Dieser Bewahrung der Erwählten zur Seligkeit und der wahrhaft Gläubigen Beharrlichkeit im Glauben können die Gläubigen selbst gewiss sein und sind es nach Maßgabe ihres Glaubens, durch den sie gewiss glauben, dass sie wahre und lebendige Glieder der Kirche sind und bleiben, dass sie Vergebung der Sünden und ewiges Leben haben.
Artikel 10
Ferner entspringt diese Gewissheit nicht aus irgendeiner besonderen Offenbarung, die neben und außer dem Wort Gottes geschehen wäre, sondern aus dem Glauben an die Verheißungen Gottes, die er in seinem Wort so reichlich zu unserem Trost offenbart hat, nach dem Zeugnis des Heiligen Geistes, der bezeugt, dass wir mit unserem Geiste Gottes Kinder und Erben sind, endlich aus dem ernsten und heiligen Streben nach einem guten Gewissen und guten Werken. Und wenn die Erwählten Gottes dieses festen Trostes, den Sieg zu erlangen, und des untrüglichen Unterpfandes der ewigen Herrlichkeit entbehrten, so wären sie die elendsten unter allen Menschen.
Artikel 11
Indessen bezeugt die Schrift, dass die Gläubigen in diesem Leben mit verschiedenen fleischlichen Zweifeln kämpfen und dass sie, da sie sich in schwerer Versuchung befinden, nicht immer diese Zuversicht des Glaubens und Gewissheit der Beharrlichkeit empfinden. Aber Gott, der Vater alles Trostes, lässt sie nicht über ihre Kräfte versucht werden, sondern gibt mit der Versuchung den Ausweg und erregt denselben durch den Heiligen Geist wieder die Gewissheit der Beharrlichkeit.
Artikel 12
Diese Gewissheit der Beharrlichkeit ist aber so weit davon entfernt, die wahrhaft Gläubigen stolz und fleischlich sicher zu machen, dass sie vielmehr im Gegenteil die wahre Wurzel der Demut, kindlicher Ehrfurcht, wahrer Frömmigkeit, der Geduld in jedem Kampf, inniger Gebete, der Standhaftigkeit im Leiden und im Bekenntnis der Wahrheit und der echten Freude in Gott, und die Betrachtung dieser Wohltat ein Antrieb zur ernsten und anhaltenden Übung in Dankbarkeit und guten Werken ist, wie aus den Zeugnissen der Schrift und dem Beispiel der Heiligen erhellt.
Artikel 13
Auch bringt die wiederbelebte Zuversicht der Beharrlichkeit bei denen, die vom Fall aufgerichtet werden, nicht Übermut oder Mangel an Frömmigkeit hervor, sondern eine noch weit größere Sorge, die Wege des Herrn ängstlich zu bewachen, die bereitet sind, damit sie die Gewissheit ihrer Beharrlichkeit behalten, indem sie auf ihnen wandeln, damit sich nicht das Antlitz des gütigen Gottes (dessen Anschauung den Frommen lieber als das Leben, dessen Entziehung ihnen aber herber als der Tod ist) wegen Missbrauch des väterlichen Wohlwollens von ihnen abwende und sie so in größere Seelenqualen verfallen.
Artikel 14
Wie es aber Gott gefallen hat, dieses sein Werk der Gnade durch die Predigt des Evangeliums zu beginnen, so erhält er es, führt es fort und vollendet es durch das Hören und Lesen desselben, durch Nachdenken über dasselbe, durch seine Ermahnungen, Drohungen, Versprechungen und den Gebrauch der Sakramente.
Artikel 15
Diese Lehre von der Beharrlichkeit der wahrhaft Gläubigen und Heiligen und von ihrer Gewissheit, welche Gott zum Ruhm seines Namens und zum Trost frommer Seelen in seinem Wort reichlich offenbart hat und dem Herzen der Gläubigen einprägt, fasst das Fleisch zwar nicht, hasst der Satan, verlacht die Welt, missbrauchen Unerfahrene und Heuchler, bekämpfen Truggeister; aber die Braut Christi hat sie als einen Schatz von unermesslichem Wert immer zärtlich geliebt und fest verteidigt. Dass sie dies auch ferner tut, dafür wird Gott sorgen, gegen den kein Ratschlag etwas gilt und keine Kraft etwas vermag. Diesem alleinigen Gott, dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist, sei Ehre und Preis in Ewigkeit. Amen.
VERWERFUNG DER IRRTÜMER ÜBER DAS BEHARREN DER HEILIGEN
Nach Darlegung der rechtgläubigen Lehre verwerfen wir die Irrtümer derer:
1. Die lehren: »Die Beharrlichkeit der wahrhaft Gläubigen sei nicht eine Wirkung der Erwählung oder eine Gabe Gottes, durch den Tod Christi erworben, sondern sei eine Bedingung des neuen Bundes, die der Mensch vor seiner peremtorischen [wie sie sagen, d. h. bestimmten] Erwählung und Rechtfertigung durch seinen freien Willen erfüllen muss.« Denn die Heilige Schrift lehrt, dass sie aus der Erwählung folgt und durch die Kraft des Todes, der Auferstehung und Fürbitte Christi den Erwählten geschenkt wird. »[…] die Auswahl aber hat es erlangt. Die Übrigen dagegen wurden verstockt, …« (Röm 11,7). »Er, der sogar seinen eigenen Sohn nicht verschont hat, sondern ihn für uns alle dahingegeben hat, wie sollte er uns mit ihm nicht auch alles schenken? Wer will gegen die Auserwählten Gottes Anklage erheben? Gott [ist es doch], der rechtfertigt! Wer will verurteilen? Christus [ist es doch], der gestorben ist, ja mehr noch, der auch auferweckt ist, der auch zur Rechten Gottes ist, der auch für uns eintritt! Wer will uns scheiden von der Liebe des Christus? Drangsal oder Angst oder Verfolgung oder Hunger oder Blöße oder Gefahr oder Schwert?« (Röm 8,32–35)
2. Die lehren: »Gott statte zwar den gläubigen Menschen mit hinlänglichen Kräften aus, um zu beharren, und sei bereit, sie in ihm zu erhalten, wenn er seine Pflicht tue; aber bei allem dem, was zur Ausdauer im Glauben nötig ist und was Gott zur Erhaltung des Glaubens anwenden will, hänge es doch immer von dem Belieben des Willens ab, ob er beharre oder nicht.« Denn diese Ansicht enthält offenbaren Pelagianismus und macht die Menschen, während sie sie frei machen will, zu Gotteslästerern, gegen die fortwährende Übereinstimmung der evangelischen Lehre, die dem Menschen alle Ursache, sich zu rühmen, nimmt und das Lob dieser Wohltat allein der göttlichen Gnade zuschreibt, und gegen den Apostel, der bezeugt, Gott sei es, der uns befestigen wird bis ans Ende, unsträflich zu sein am Tag unseres Herrn Jesus Christus.
3. Die lehren: »Wahrhaft Gläubige und Wiedergeborene könnten nicht nur von dem rechtfertigenden Glauben wie von der Gnade und der Seligkeit völlig und endlich abfallen, sondern fielen auch nicht selten wirklich davon ab und gingen für ewig zugrunde.« Denn diese Meinung macht die Gnade der Rechtfertigung und Wiedergeburt selbst und den beständigen Schutz Christi kraftlos, gegen die ausdrücklichen Worte des Apostels Paulus: »Gott aber beweist seine Liebe zu uns dadurch, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren. Wieviel mehr nun werden wir, nachdem wir jetzt durch sein Blut gerechtfertigt worden sind, durch ihn vor dem Zorn errettet werden!« (Röm 5,8.9).Und gegen den Apostel Johannes: »Jeder, der aus Gott geboren ist, tut nicht Sünde; denn Sein Same bleibt in ihm, und er kann nicht sündigen, weil er aus Gott geboren ist.« (1Joh 3,9).Auch gegen die Worte Jesu Christi: »und ich gebe ihnen ewiges Leben, und sie werden in Ewigkeit nicht verloren gehen, und niemand wird sie aus meiner Hand reißen. Mein Vater, der sie mir gegeben hat, ist größer als alle, und niemand kann sie aus der Hand meines Vaters reißen.« (Joh 10,28.29).
4. Die lehren: »Wahrhaft Gläubige oder Wiedergeborene könnten eine Sünde zum Tod oder gegen den Heiligen Geist begehen.« Da derselbe Apostel Johannes in Kapitel 5, nachdem er Vers 16 und 17 der zu Tode Sündigenden gedacht und für sie zu beten verboten hat, gleich Vers 18 hinzufügt: »Wir wissen, dass jeder, der aus Gott geboren ist, nicht sündigt [nämlich in dieser Art der Sünde]; sondern wer aus Gott geboren ist, der bewahrt sich selbst, und der Böse tastet ihn nicht an.«
5. Die lehren: »Man könne ohne besondere Offenbarung in diesem Leben keine Gewissheit der zukünftigen Beharrlichkeit haben.« Denn durch diese Lehre wird den wahrhaft Gläubigen der echte Trost in diesem Leben genommen und der Zweifel der Päpstlichen in die Kirche zurückgeführt. Die Heilige Schrift aber leitet an einigen Stellen diese Gewissheit nicht von einer besonderen und außerordentlichen Offenbarung ab, sondern aus Anzeichen, die den Kindern Gottes eigentümlich sind, und aus den zuverlässigen Verheißungen Gottes. Vorzüglich der Apostel Paulus: »weder Hohes noch Tiefes, noch irgendein anderes Geschöpf uns zu scheiden vermag von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn.« (Röm 8,39). Und Johannes: »Und wer seine Gebote hält, der bleibt in Ihm und Er in ihm; und daran erkennen wir, dass Er in uns bleibt: an dem Geist, den Er uns gegeben hat.« (1Joh 3,24).
6. Die lehren: »Die Lehre von der Beharrlichkeit und der Gewissheit der Seligkeit sei ihrer Natur und ihrem Gehalt nach ein Ruhekissen des Fleisches, und der Frömmigkeit, den guten Sitten, den Gebeten und anderen frommen Übungen nachteilig; dagegen aber, daran zu zweifeln, sei lobenswert.« Denn diese zeigen, dass sie die Wirksamkeit der göttlichen Gnade und die Kraft des inwohnenden Heiligen Geistes nicht kennen, und widersprechen dem Apostel Johannes, der mit klaren Worten das Gegenteil behauptet: »Geliebte, wir sind jetzt Kinder Gottes, und noch ist nicht offenbar geworden, was wir sein werden; wir wissen aber, dass wir ihm gleichgestaltet sein werden, wenn er offenbar werden wird; denn wir werden ihn sehen, wie er ist. Und jeder, der diese Hoffnung auf ihn hat, reinigt sich, gleichwie auch Er rein ist.« (1Joh 3,2.3). Sie werden außerdem durch das Beispiel der Heiligen sowohl des Alten als Neuen Testaments widerlegt, die, wenn sie auch von ihrer Ausdauer und ihrem Heil überzeugt waren, doch im Beten und anderen Übungen der Frömmigkeit fleißig waren.
7. Die lehren: »Der Glaube der Weltlichen unterscheide sich von dem rechtfertigenden und seligmachenden nur durch seine Dauer.« Denn Christus selbst macht offenbar einen dreifachen Unterschied zwischen den Weltlichen und den wahrhaft Gläubigen, da er sagt, jene nähmen den Samen in steinige Erde auf, diese in gute Erde oder ein gutes Herz; jene hätten keine Wurzel, diese eine feste Wurzel; jene trügen keine Frucht, diese brächten nach verschiedenem Maße beständig und ausdauernd ihre Frucht.
8. Die lehren: »Es sei nicht ungereimt, dass ein Mensch nach Verlust der früheren Wiedergeburt aufs Neue, ja öfter wiedergeboren werde.« Denn diese leugnen die Unverderblichkeit des Samens Gottes, durch den wir wiedergeboren werden, gegen das Zeugnis des Apostels Petrus: »denn ihr seid wiedergeboren nicht aus vergänglichem, sondern aus unvergänglichem Samen, durch das lebendige Wort Gottes, das in Ewigkeit bleibt.« (1Pt 1,23).
9. Die lehren: »Christus habe nie für die unfehlbare Beharrlichkeit der Gläubigen im Glauben gebetet.« Sie widersprechen Christus selbst, der sagt: »ich aber habe für dich gebetet, dass dein Glaube nicht aufhöre; […]« (Lk 22,32). Und dem Evangelisten Johannes, der bezeugt, Christus hat nicht nur für die Apostel gebetet, sondern für alle, die durch ihre Predigt glauben würden: »[…] Heiliger Vater, bewahre sie in deinem Namen, […] Ich bitte nicht, dass du sie aus der Welt nimmst, sondern dass du sie bewahrst vor dem Bösen.« (Joh 17,11.15).
SCHLUSS
Und dies ist die klare, einfache und echte Darlegung der rechtgläubigen Lehre über die fünf streitigen Punkte, und die Verwerfung der Irrtümer, durch welche die reformierten Kirchen eine Zeitlang beunruhigt sind, welche wir für aus dem Wort Gottes entnommen und mit den Bekenntnissen der Reformierten Kirchen übereinstimmend hält. Hieraus erhellt deutlich, dass diejenigen, denen es durchaus nicht ziemte, gegen alle Wahrheit und Liebe haben dem Volk einreden wollen: »Die Lehre der reformierten Kirchen von der Gnadenwahl und damit zusammenhängenden Lehrstücken führe die Gemüter der Menschen durch einen gewissen eigentümlichen Geist und Richtung von aller Frömmigkeit und Gottesfurcht ab. Sie sei ein Ruhekissen des Fleisches und des Teufels und eine Burg des Satans, aus der er allen auflauere, die meisten verwunde und viele mit den Pfeilen der Verzweiflung oder Sicherheit tödlich treffe.
Sie mache Gott zum Urheber der Sünde, zu einem Ungerechten, einem Tyrannen, einem Heuchler und sei nichts anderes als verfälschter Stoizismus, Manichäismus, Libertinismus und Islam. Sie mache die Menschen fleischlich sicher, da sie nach ihr überzeugt wären, es schade der Seligkeit der Erwählten nicht, wie sie auch lebten, und deshalb könnten sie in Sicherheit auch die schwersten Frevel begehen. Den Verworfenen helfe es nicht zur Seligkeit, wenn sie auch alle Werke der Heiligen wirklich vollbrächten. Durch dieselbe würde gelehrt, dass Gott nach der bloßen und reinen Willkür seines Willens, ohne alle Rücksicht auf irgendeine Sünde und ohne Ansehen den größten Teil der Welt zur ewigen Verdammnis vorherbestimmt und geschaffen habe. Auf dieselbe Weise, wie die Erwählung die Quelle und die Ursache des Glaubens und der guten Werke sei, so sei die Verwerfung die Ursache des Unglaubens und der Unfrömmigkeit.
Viele Kinder der Gläubigen würden von der Brust der Mutter unschuldig fortgerissen und tyrannisch in die Hölle gestürzt, so dass ihnen weder die Taufe noch die Gebete der Kirche bei ihrer Taufe etwas helfen könnten.« Und was der Art mehr ist, was die reformierten Kirchen nicht nur nicht anerkennen, sondern von ganzem Herzen verabscheuen. Deshalb beschwören wir beim Namen des Herrn alle, welche den Namen unseres Heilandes Jesus Christus gottesfürchtig anrufen, dass sie über den Glauben der reformierten Kirche nicht aus den hier- und dorther zusammengehäuften Schmähungen oder aus den besonderen Äußerungen einiger älterer oder neuerer Lehrer, die oft entweder falsch angeführt oder entstellt und zu einem anderen Sinn verdreht sind, urteilen, sondern aus den öffentlichen Bekenntnissen dieser Kirchen und aus dieser Darlegung der rechtgläubigen Lehre, die durch diese Lehrregel festgestellt ist.
Die Verleumder aber selbst ermahnen wir ernsthaft, dass sie überlegen mögen, welch schweren Gericht Gottes sie verfallen würden, wenn sie gegen so viele Kirchen und so vieler Kirchen Bekenntnisse falsches Zeugnis reden, das Gewissen der Schwachen beunruhigen und sich bemühen, vielen die Gemeinschaft der wahrhaft Gläubigen verdächtig zu machen. Zuletzt ermahnen wir alle Diener Gottes im Evangelium Christi, dass sie bei Durchnahme dieser Lehre in Schulen und Kirchen fromm und gottesfürchtig zu Werke gehen, sie sowohl mündlich als schriftlich zum Ruhm des göttlichen Namens, zur Heiligkeit des Lebens und zum Trost niedergeschlagener Gemüter anwenden, mit der Schrift nach der Gleichmäßigkeit des Glaubens nicht nur denken, sondern auch sprechen und sich endlich aller der Ausdrücke enthalten, welche die uns vorgeschriebenen Grenzen des richtigen Sinnes der heiligen Schriften überschreiten und den nichtswürdigen Sophisten eine gute Gelegenheit bieten könnten, die Lehre der reformierten Kirche zu verhöhnen oder zu verleumden.
Der Sohn Gottes, Jesus Christus, der, zur Rechten des Vaters sitzend, den Menschen Gaben spendet, heilige uns in der Wahrheit, führe die, welche irren, zur Wahrheit, verschließe den Verleumdern der rechten Lehre den Mund und erfülle die treuen Diener seines Wortes mit dem Geist der Weisheit und Unterscheidung, damit alle ihre Reden zum Ruhm Gottes und der Erbauung der Zuhörer dienen. Amen.