Niederländisches Glaubensbekenntnis
Hauptverfasser dieses Bekenntnisses war der niederländische Pastor Guy de Brès. Wenige Jahre nachdem es 1561 in den Druck ging, wurde er – wie viele andere – wegen seines Glaubens hingerichtet. Sein durchdachter, biblischer, mutiger Glaube an Christus jedoch findet bis heute Nachfolger.
ARTIKEL 1 – DAS WESEN DES EINEN GOTTES
Wir glauben von Herzen und bekennen mit dem Mund, dass es nur ein einziges und einfaches geistliches Wesen gibt, das wir Gott nennen: ewig, unbegreiflich, unsichtbar, unveränderlich, unendlich, allmächtig, vollkommen weise, gerecht und gut und die reichste Quelle aller Güter.
ARTIKEL 2 – VON DER ERKENNTNIS GOTTES
Wir erkennen aber Gott auf zwei Weisen: Zuerst durch die Schöpfung, Erhaltung und Regierung dieser ganzen Welt. Denn diese ist für unsere Augen wie ein schönes Buch, in welchem alle Geschöpfe, kleine und große, gleich wie hingeschriebene Buchstaben sind, aus denen das unsichtbare Wesen Gottes ersehen und erkannt werden kann, nämlich seine ewige Macht und Göttlichkeit, wie der Apostel Paulus sagt in Römer 1,20. Dies alles reicht hin, um die Menschen zu überführen und zu machen, dass sie keine Entschuldigung haben. Zweitens gibt er sich uns weit klarer und deutlicher in seinem heiligen und göttlichen Wort zu erkennen und offenbart sich, soviel nämlich uns in diesem Leben zu seiner Ehre und zum Heil der Seinigen notwendig ist.
ARTIKEL 3 – VON DER HEILIGEN SCHRIFT
Wir bekennen, dass dieses Wort Gottes nicht durch irgendeinen menschlichen Willen gebracht oder überliefert ist, sondern dass die heiligen Männer Gottes, vom Geist ergriffen, es geredet haben, wie der heilige Petrus bezeugt. Nachher aber hat Gott selbst nach seiner unermesslichen Fürsorge und Sorgfalt, die er für die Seinigen und das Heil der Seinigen hat, seinen Dienern, den Propheten und Aposteln, aufgetragen, dass sie jene seine Aussprüche niederschreiben; und er selbst hat die beiden Gesetzestafeln mit seinem Finger geschrieben: Dies ist die Ursache, warum wir solche Schriften die heilige und göttliche Schrift nennen.
ARTIKEL 4 – VON DEN KANONISCHEN BÜCHERN DES ALTEN UND NEUEN TESTAMENTS
Wir verstehen aber unter der Heiligen Schrift jene beiden Teile des Alten und Neuen Testaments, welche die kanonischen Bücher genannt werden, über welche kein Streit ist. Dies ist die in der Kirche Gottes angenommene Zahl und Ordnung derselben: die fünf Bücher Moses, das Buch des Josua, der Richter, Ruth, die zwei Bücher Samuels, zwei der Könige, zwei der Chronik, die auch Paralipomena genannt werden, das erste Buch des Esra, Nehemia, Esther, Hiob, sodann die Psalmen Davids, drei Bücher Salomos, nämlich die Sprüche, der Prediger und das Hohelied, die vier großen Propheten Jesaja, Jeremia samt den Klageliedern, Hesekiel und Daniel und dazu auch die zwölf kleinen Propheten. Die kanonischen Bücher des Neuen Testaments sind ferner: die vier Evangelisten, nämlich der heilige Matthäus, Markus, Lukas und Johannes, die Apostelgeschichte, die dreizehn Briefe des heiligen Paulus, an die Römer, zwei an die Korinther, an die Galater, Epheser, Philipper, Kolosser, zwei an die Thessalonicher, zwei an Timotheus, an Titus, Philemon und den Brief an die Hebräer. Dazu die sieben übrigens Briefe, nämlich Jakobus, zwei des Petrus, drei des Johannes, Judas, sowie die Offenbarung des heiligen Apostels Johannes.
ARTIKEL 5 – VON DER HEILIGEN SCHRIFT
Diese Bücher allein erkennen wir als heilig und kanonisch an, so dass auf ihnen unser Glaube beruhen und begründet und festgestellt werden kann. Wir glauben ohne allen Zweifel alles das, was in ihnen enthalten ist, und zwar nicht in erster Linie, weil die Kirche sie als kanonisch annimmt und bestätigt, sondern vor allem weil der Heilige Geist unseren Herzen bezeugt, dass sie von Gott stammen. Auch deshalb, weil sie diese Bestätigung in sich selbst tragen, da selbst Blinde die Erfüllung aller der Dinge, welche in ihnen geweissagt, deutlich sehen und gleichsam mit ihren Sinnen wahrnehmen können.
ARTIKEL 6 – VOM UNTERSCHIED DER KANONISCHEN UND APOKRYPHEN BÜCHER
Wir machen ferner einen Unterschied zwischen diesen heiligen Büchern und denen, die man Apokryphen nennt, so dass die Kirche zwar die Apokryphen lesen und aus ihnen Beweise entnehmen kann in Dingen, welche mit den kanonischen Büchern übereinstimmen. Sie haben aber keineswegs ein solches Ansehen und eine solche Kraft, dass nach ihrem Zeugnis irgendein Satz des Glaubens oder der Religion der Christen sicher festgestellt werden kann, geschweige dass sie das Ansehen der anderen entkräften oder verringern können.
ARTIKEL 7 – VON DER VOLLKOMMENHEIT DER HEILIGEN SCHRIFT
Wir glauben auch, dass diese Heilige Schrift vollkommen den ganzen Willen Gottes umfasst und dass in ihr all das in vollem Maße gelehrt wird, was von den Menschen geglaubt werden muss, damit sie die Seligkeit erlangen. Da nun dort ausführlich die ganze Weise der Gottesverehrung beschrieben ist, die Gott von den Gläubigen verlangt, so darf kein Mensch, und wäre er auch mit apostolischer Würde bekleidet, und nicht einmal ein Engel, vom Himmel gekommen, wie der heilige Paulus sagt, anders lehren, als wir schon längst in der Heiligen Schrift belehrt sind. Denn da es verboten ist, dass jemand dem Wort Gottes irgendetwas hinzufügt oder wegnimmt, so wird eben dadurch hinlänglich erklärt, dass diese heilige Lehre in allen ihren Beziehungen und Teilen vollendet und abgeschlossen ist. Ein jeder muss sich daher sorgfältig hüten, dass er ihr nicht etwas hinzufügt oder wegnimmt, wodurch menschliche Weisheit mit göttlicher Weisheit vermischt werden könnte. Deshalb sind mit diesen göttlichen Schriften und dieser Wahrheit Gottes keine anderen Schriften der Menschen, von welcher Heiligkeit sie auch seien, keine Gewohnheit, nicht irgendeine Menge noch das Alter, noch Vorschrift der Zeiten oder die Nachfolge von Personen, noch irgendwelche Konzile, keine Beschlüsse und Satzungen der Menschen endlich zusammenzustellen oder zu vergleichen, da ja die Wahrheit Gottes vorzüglicher ist als alle Dinge. Denn alle Menschen sind Lügner, und ihre Weisheit darf Gott nicht untergeschoben werden, sie sind nichtiger als die Nichtigkeit selbst. Deshalb verwerfen wir von ganzem Herzen, was nur mit dieser untrüglichen Regel nicht übereinkommt, wie wir von den Aposteln gelehrt sind, wenn sie sagen: »[…] prüft die Geister, ob sie aus Gott sind […]«; und: »Wenn jemand zu euch kommt und diese Lehre nicht bringt, den nehmt nicht auf ins Haus […].«
ARTIKEL 8 – VON DER EINHEIT GOTTES IN DREI PERSONEN
Gemäß dieser Wahrheit und diesem Wort Gottes glauben wir an einen alleinigen Gott, der ein einziges und ewiges Wesen ist, wirklich wahrhaft und von Ewigkeit unterschieden nach drei Personen, von denen jede ihre eigenen durchaus eigentümlichen Eigenschaften hat, nämlich Vater, Sohn und Heiliger Geist. Der Vater ist Grund, Ursprung und Anfang aller sichtbaren und unsichtbaren Dinge. Der Sohn ist das Wort, die Weisheit und das Bild des Vaters. Der Heilige Geist ist die ewige und wesentliche Macht und Kraft, die vom Vater und vom Sohn ausgeht. Jedoch so, dass diese Unterscheidung nicht macht, dass Gott gleichsam in drei Teile geteilt ist, da die Schrift uns nicht lehrt, dass jeder Einzelne, Vater und Sohn und Heiliger Geist, seine eigene Persönlichkeit oder sein eigenes durch seine Eigenschaften unterschiedenes Dasein habe, sondern so, dass diese drei Personen nur ein alleiniger Gott sind. Es ist daher gewiss, dass der Vater nicht der Sohn ist und der Sohn nicht der Vater, noch auch der Heilige Geist der Vater oder der Sohn ist. Indes sind doch diese Personen so unterschieden und sind nicht geteilt, nicht vermengt und nicht vermischt. Denn weder der Vater hat menschlichen Körper angenommen noch der Heilige Geist, sondern allein der Sohn. Der Vater ist niemals ohne seinen Sohn gewesen, auch nicht ohne seinen Heiligen Geist, weil alle in ein und demselben Wesen von derselben Ewigkeit sind. Keiner von ihnen ist der Erste oder Letzte, weil alle drei eins sind in Wahrheit und Macht, in Güte und Barmherzigkeit.
ARTIKEL 9 – VON DER HEILIGEN DREIEINIGKEIT
Dies alles erkennen wir aus den Zeugnissen der Heiligen Schrift, aber auch aus den Werken der Dreieinigkeit, besonders aus denen, die wir in uns selbst wahrnehmen. Und zwar kommen die Zeugnisse der Heiligen Schrift, welche uns lehren, an diese heilige Dreieinigkeit zu glauben, hin und wieder im Alten Testament vor, die es nicht aufzuzählen, sondern mit richtigem Urteil auszuwählen gilt. Im ersten Buch Mose spricht Gott: »[…] Lasst uns Menschen machen nach unserem Bild, uns ähnlich […]« Und bald darauf: »Und Gott schuf den Menschen in seinem Bild, im Bild Gottes schuf er ihn; als Mann und Frau schuf er sie.« Desgleichen: »[…] Siehe, der Mensch ist geworden wie unsereiner […]« Denn daraus, dass gesagt wird: »Lasst uns Menschen machen nach unsrem Bild«, geht hervor, dass eine Mehrheit der Personen in der Gottheit ist. Wo aber gesagt wird, »Gott schuf« usw., wird die Einheit Gottes angedeutet. Zwar ist es wahr, dass hier nicht gesagt wird, wieviele Personen seien, jedoch wird, was im Alten Testament dunkel gelehrt wird, uns im Neuen sehr klar auseinandergesetzt. Denn als unser Herr Jesus Christus im Jordan getauft wurde, wurde die Stimme des Vaters gehört, der da sagte: »Dies ist mein geliebter Sohn […]«, und der Sohn selbst wurde im Wasser gesehen, der Heilige Geist aber erschien unter der Gestalt einer Taube. Sind es deshalb nicht drei? Bei der allgemeinen Taufe aller Gläubigen ist daher diese Formel von Christus eingesetzt: »[…] tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes«. So redet auch im Evangelium des Lukas der Engel Gabriel die Maria, die Mutter unseres Herrn, an: »[…] Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Darum wird auch das Heilige, das geboren wird, Gottes Sohn genannt werden.« Wir sehen, dass hier der Vater, der Höchste, genannt wird, dann der Sohn Gottes, der von der Jungfrau geboren ist, und der Heilige Geist, der die Jungfrau überschattet hat. Desgleichen: »Die Gnade des Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen! […]« Und hier sehen wir deutlich, dass drei genannt werden. Durch alle diese Stellen werden wir vollkommen belehrt, dass in dem einen Gott drei Personen sind. Und wenn auch diese Lehre alle Fassungskraft des menschlichen Geistes übersteigt, so glauben wir doch jetzt an sie fest nach dem Wort Gottes, harrend, bis wir im Himmel ihrer vollen Erkenntnis werden teilhaftig werden. Ferner sind auch zu bemerken die einzelnen Tätigkeiten und Wirkungen dieser drei Personen, welche sie einzeln gegen uns verrichten. Denn der Vater heißt unser Schöpfer durch seine Kraft, der Sohn unser Erlöser durch sein Blut, der Heilige Geist ist unser Heiligmacher durch sein Wohnen in unseren Herzen. Und diese Lehre von der Heiligen Dreieinigkeit hat vom Zeitalter der Apostel bis auf unsere Zeiten die wahre Kirche immer aufrecht gehalten und gegen Juden, Muslime und andere falsche Christen und Ketzer verteidigt, als da waren Marcion, Manes, Praxeas, Sabellius aus Samosata, Arius und ähnliche, welche alle nach Recht und Verdienst von den rechtgläubigen Vätern verdammt worden sind. Und so nehmen wir gerne diese drei Bekenntnisse – das Apostolische, das Nizänische und das Athanasianische – an und was von den alten Kirchenvätern in Übereinstimmung mit ihnen festgelegt wurde.
ARTIKEL 10 – VON DER PERSON UND EWIGEN GOTTHEIT DES SOHNES
Wir glauben, dass Jesus Christus hinsichtlich seiner göttlichen Natur der einzige Sohn Gottes ist, von Ewigkeit gezeugt, nicht gemacht noch geschaffen (denn dann wäre er ein Geschöpf), sondern gleichen Wesens mit dem Vater gleichermaßen ewig, das wahre Bild des Wesens des Vaters und der Abglanz seiner Herrlichkeit, in allem ihm gleich. Er ist aber Sohn Gottes nicht nur von der Zeit an, wo er unsere menschliche Natur annahm, sondern von Ewigkeit, wie diese Zeugnisse, unter sich verglichen, uns lehren: Moses sagt, Gott habe die Welt erschaffen; aber der heilige Johannes sagt, dass durch das Wort, das er Gott nennt, alles geschaffen worden sei, und was der heilige Johannes das Wort nennt, das nennt der heilige Paulus den Sohn, indem er sagt, Gott habe durch seinen Sohn die Welt geschaffen. Außerdem sagt der heilige Paulus, Gott hat alles durch Jesus Christus geschaffen. Es folgt daher, dass der, welcher Gott, Wort, Sohn und Jesus Christus genannt wird, schon damals gewesen sei, als alles von ihm erschaffen worden ist. Und deshalb sagt Micha: »[…] dessen Hervorgehen von Anfang, von den Tagen der Ewigkeit her gewesen ist.« Desgleichen: »Dieser ist […] der Erstgeborene, der über aller Schöpfung ist.«, und: »Er […] hat weder Anfang der Tage noch Ende des Lebens […].« Im zweiten Psalm: »[…] Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt. […] Küsset den Sohn […].« Er ist daher wahrer und ewiger Gott, der Alleinmächtige, den wir anrufen, anbeten und verehren alle Tage unseres Lebens.
ARTIKEL 11 – VON DER PERSON UND EWIGEN GOTTHEIT DES HEILIGEN GEISTES
Wir glauben auch und bekennen, dass der Heilige Geist vom Vater und vom Sohn von Ewigkeit ausgeht und dass er so weder gemacht noch geschaffen noch gezeugt ist, sondern nur ausgehend von beiden, der Ordnung nach die dritte Person der Dreieinigkeit, von demselben Wesen und derselben Herrlichkeit und Majestät mit dem Vater und dem Sohn. Und deshalb ist er auch selbst wahrer und ewiger Gott.
ARTIKEL 12 – VON DER SCHÖPFUNG DER WELT UND DEN ENGELN
Wir glauben, dass der Vater durch sein Wort, das heißt durch den Sohn, Himmel und Erde und die übrigen Dinge alle aus nichts geschaffen hat, als es ihm gut schien, und allen ihr Sein, ihre Gestalt und verschiedenen Wirkungskreise angewiesen, damit sie ihrem Schöpfer dienen möchten. Und dass er sie nun pflegt, erhält und regiert nach seiner ewigen Vorsehung und durch seine unermessliche Macht. Und zwar so, dass jene dem Menschen, der Mensch aber seinem Gott diene. Er hat auch die Engel geschaffen, alle von Natur gut, dass sie seine Boten seien und auch den Auserwählten dienen sollten; von ihnen sind jedoch einige von der herrlichen Beschaffenheit, von welcher Gott sie beschaffen hatte, zu ewigem Verderben abgefallen; andere jedoch sind durch die Gnade Gottes in jenem ihrem ersten Zustand verharrt. Erstere, die wir Teufel und böse Geister nennen sind nun so verdorben und schlecht geworden, dass sie sowohl Gottes, als auch alles Guten geschworene Feinde sind, die der Kirche und ihren einzelnen Gliedern gleich wie Räuber aus dem Hinterhalt nach allen Kräften nachstellen, um mit ihren Verfälschungen und Täuschungen alles zu zerstören und zu verderben. Deshalb erwarten sie, durch ihre eigene Bosheit der ewigen Verdammnis verfallen, von Tag zu Tag die furchtbaren Strafen und Qualen für ihre Frevel. Deshalb verabscheuen und verdammen wir hier die Irrlehre der Sadduzäer, die leugnen, dass es irgendwelche Geister oder Engel gäbe. Gleichfalls auch die Irrlehre der Manichäer, welche behaupten, dass die Teufel von selbst entstanden und ihrer eigentlichen Natur nach böse wären, nicht aber verdorben durch freiwilligen Ungehorsam.
ARTIKEL 13 – VON DER VORSEHUNG GOTTES
Wir glauben, dass der liebe Gott, nachdem er alle Dinge geschaffen hatte, sie keineswegs der Willkür des Zufalls oder Schicksals überlassen hat, sondern dass er selbst, nach Vorschrift seines heiligen Willens, sie immerwährend so regiert und lenkt, dass nichts in dieser Welt ohne seinen Willen und seine Anordnung geschieht, obgleich Gott doch von dem Bösen, das in dieser Welt geschieht, weder der Urheber ist noch daran Schuld hat. Denn so weit erstreckt sich seine unendliche und unbegreifliche Macht und Güte, dass er auch dann seine Werke und Handlungen heilig und gerecht anordnet und ausführt, wenn auch der Teufel und die Gottlosen ungerecht handeln. Über alles aber, was er tut, das die menschliche Fassungskraft übersteigt, wollen wir nicht neugierig und über unsere Fassungskraft nachforschen, sondern vielmehr die verborgenen und gerechten Gerichte Gottes demütig und ehrfurchtsvoll verehren. Denn es genügt uns, dass wir Christi Schüler sein können und das lernen, was er uns in seinem Wort selbst lehrt, und wollen nicht diese Grenzen überschreiten. Diese Lehre aber bringt uns einen unermesslichen Trost. Denn aus ihr lernen wir, dass uns nichts zufällig trifft, sondern alles nach dem Willen unseres himmlischen Vaters, der für uns mit wahrhaft väterlicher Sorge wacht, dem alles untergeben ist, so dass kein Haar unseres Hauptes (welche alle gezählt sind) ausfallen und nicht der kleinste Sperling zu Boden fallen kann ohne den Willen unseres Vaters. Hierbei beruhigen wir uns völlig, indem wir wissen, dass Gott die Teufel und alle unsere Feinde gleich wie mit Zügeln so im Zaum hält, dass sie ohne seinen Willen und seine Erlaubnis niemand von uns schaden können. Deshalb verwerfen wir hier die abscheuliche Meinung der Epikureer, welche sich Gott als müßig und nichtstuend und alles dem Glück und Zufall überlassend vorstellten.
ARTIKEL 14 – VON SCHÖPFUNG, FALL UND VERDERBNIS DES MENSCHEN
Wir glauben, dass Gott den Menschen aus dem Staub der Erde nach seinem Bild geschaffen hat, gut, gerecht und heilig und in allem durchaus vollkommen und fähig, nach seinem eigenen Belieben seinen Willen nach dem Willen Gottes einzurichten und mit ihm übereinstimmend zu machen. Gott hat ihn geschaffen aus zwei Teilen bestehend, aus Körper und Seele. Der Körper war aus der Erde gemacht, Atem und Leben aber hauchte ihm Gott ein, so dass der Mensch von solcher Vorzüglichkeit ist, dass der menschliche Geist dem nicht gewachsen ist, sie auszudrücken. Denn dass er so gewesen sei, dass ihm nichts mehr fehle, als dass er nicht Gott war, bezeugt David: »[…] mit Herrlichkeit und Ehre hast du ihn gekrönt.« Als er aber in der Ehre war, wusste er es nicht und erkannte seine Herrlichkeit nicht – er war dem Vieh ähnlich geworden –, sondern gab sich mit Wissen und Wollen der Sünde und infolgedessen dem Tode und der Verdammnis hin, als er, den Worten und Täuschungen des Teufels sein Ohr leihend, das Gebot des Lebens überschritt, das er von Gott empfangen hatte, und entfernte und entfremdete sich von Gott (seinem wahren Leben) durch die Sünde und verdarb seine ganze Natur und machte sie sündhaft. Dadurch machte er sich sowohl des leiblichen als des geistlichen Todes schuldig, wurde gottlos und verkehrt und in allen seinen Wegen und Bestrebungen verdorben und verlor alle seine herrlichen Gaben, die er von Gott empfangen hatte, so dass ihm nur ganz kleine Funken derselben und Spuren geblieben sind, welche hinreichen, den Menschen alle Entschuldigung zu nehmen, aber keineswegs, um uns gut und Gott wohlgefällig zu machen, da alles Licht in uns in dunkle Finsternis verwandelt ist, wie die Schrift selbst lehrt, indem sie sagt: »Und das Licht leuchtet in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht begriffen.« Denn hier nennt Johannes die Menschen deutlich Finsternis. Und im Psalm wird gesagt: »Denn bei dir ist die Quelle des Lebens, in deinem Licht schauen wir das Licht.« Deshalb verwerfen wir mit Recht alles, was man hiergegen vom freien Willen des Menschen lehrt, da der Mensch ein Knecht der Sünde ist und nichts Gutes aus sich kann, wenn es ihm nicht vom Himmel gegeben ist. Denn wer möchte wagen, sich zu rühmen, dass er alles, was er wolle, leisten könne, da Christus selbst sagt: »Niemand kann zu mir kommen, es sei denn, dass ihn der Vater zieht, der mich gesandt hat; […]«? Der heilige Paulus bezeugt, dass der natürliche Mensch so sei, wie ihn Adam in seinem Fall gemacht hat. Wer wollte sich mit seinem Willen brüsten, der einsieht, dass der Sinn des Fleisches eine Feindschaft ist wider Gott? Wer wollte sich seiner Einsicht rühmen, der weiß, dass der Mensch, der durch seine natürliche Seele allein geleitet wird, die Geheimnisse des Geistes Gottes nicht fasst? Überhaupt, wer wollte irgendeinen seiner Gedanken vorbringen, der weiß, dass wir nicht fähig sind, aus uns selbst irgendetwas zu denken, sondern dass alles das, wozu wir fähig sind, aus Gott ist? Denken ist noch weniger als tun. Gewiss und fest muss daher bleiben, was der Apostel gesagt hat: »Denn Gott ist es, der in euch sowohl das Wollen als auch das Vollbringen wirkt nach seinem Wohlgefallen.« Denn keine Einsicht und kein Wille ist mit dem Sinne und Willen Gottes übereinstimmend, den nicht Christus im Menschen gewirkt hat, was er uns selbst lehrt, indem er sagt: »[…] denn getrennt von mir könnt ihr nichts tun.« Christus sagt auch dies: »[…] Jeder, der die Sünde tut, ist ein Knecht der Sünde.« Wo ist daher sein freier Wille?
ARTIKEL 15 – VON DER ERBSÜNDE
Wir glauben, dass durch den Ungehorsam Adams die sogenannte Erbsünde sich über das ganze Menschengeschlecht verbreitet hat, da sie eine Verderbnis der ganzen Natur, eine Erblast ist, mit der selbst die Kinder im Mutterleib schon behaftet sind, und die wie eine giftige Wurzel alle Art von Sünde im Menschen hervorbringt, und sie ist so abscheulich und verdammlich vor Gott, dass sie zur Verdammung des ganzen Menschengeschlechts hinreicht. Auch wird sie nicht durch die Taufe ganz gehoben oder mit der Wurzel ausgerissen, da aus ihr wie aus einer unheilvollen und verderbten Quelle immerwährend Bäche entstehen und ausfließen, obgleich es den Kindern Gottes nicht zur Verdammung gereicht oder angerechnet, sondern aus reiner Gnade und Barmherzigkeit Gottes ihnen vergeben wird. Nicht damit sie im Vertrauen auf diese Vergebung einschlafen, sondern damit das Gefühl dieser Verderbtheit viele Seufzer in den Gläubigen erwecke, damit sie desto sehnlicher wünschen, von diesem Leib des Todes befreit zu werden. Hier verwerfen wir daher die Irrlehre der Pelagianer, welche behaupten, diese Erbsünde sei nichts als bloße Nachahmung.
ARTIKEL 16 – VON DER GÖTTLICHEN VORHERBESTIMMUNG
Wir glauben, dass Gott, nachdem die ganze Nachkommenschaft Adams so durch die Schuld des ersten Menschen in Verderben und Untergang gestürzt war, sich so gezeigt und bewährt hat, wie er wahrhaft ist, nämlich barmherzig und gerecht. Barmherzig nämlich, indem er von der Verdammnis und dem Untergang diejenigen befreite und erlöste, welche er in seinem ewigen und unveränderlichen Ratschluss aus reiner und unverdienter Güte durch Jesus Christus, unseren Herrn, erwählte, ohne irgendeine Rücksicht auf gute Werke derselben. Gerecht aber, indem er andere in ihrem Fall und ihrer Verderbnis ließ, wohinein sie sich selbst gestürzt haben. [Auf diese Weise zeigt er, dass er ein barmherziger und milder Gott sei denen, die er errettet hat, ohne es ihnen schuldig zu sein, wie er sich auch als gerechter Richter zeigt, indem er seine gerechte Strenge gegen die übrigen kundtut. Und dabei fügt er ihnen kein Unrecht zu. Denn dass er einige erlöst hat, geschieht nicht deshalb, weil sie besser sind als die anderen, die alle einem gewissen Untergang verfallen sind, bis Gott sie ausscheidet und sie befreit nach seinem ewigen und unabänderlichen Ratschluss, der in Jesus Christus begründet ist, bevor die Welt geschaffen worden ist. Niemand kann daher nach dieser Ansicht zu dieser Herrlichkeit durch sich selbst gelangen, da wir von uns selbst nicht imstande sind, etwas Gutes zu denken, wenn nicht Gott uns durch seine Gnade und reine Güte zuvorkommt; so sehr ist unsere Natur verdorben. – Schluss nicht in verbindlicher Version der Dordrechter Synode]
ARTIKEL 17 – VON DER RETTUNG DES MENSCHENGESCHLECHTS
Wir glauben auch, dass der liebe Gott (da er sah, dass der Mensch sich so in die Verdammnis des körperlichen und geistlichen Todes gestürzt hatte und völlig elend und unglücklich geworden war) durch seine wunderbare Weisheit und Güte bewogen war, ihn, der aus Angst vor ihm floh, zu suchen und in seiner Güte zu trösten durch Verheißung seines Sohnes, der von einer Frau geboren werden sollte, damit er der Schlange das Haupt zertrete und ihn selig mache.
ARTIKEL 18 – VON DER MENSCHWERDUNG DES SOHNES GOTTES
Wir bekennen daher, dass Gott die Verheißung, die den Vätern durch den Mund der heiligen Propheten gemacht war, erfüllt hat, als er in der von ihm bestimmten Zeit diesen seinen einzigen und ewigen Sohn in diese Welt schickte. Er hat die Gestalt eines Knechtes an sich genommen und ist gleich wie ein anderer Mensch geworden und hat wahrhaft menschliche Natur mit allen ihren Schwachheiten (die Sünde ausgenommen) wahrhaft angenommen, als er empfangen wurde im Schoß der heiligen Jungfrau Maria, durch Kraft des Heiligen Geistes, ohne alle Einwirkung eines Mannes. Diese menschliche Natur nahm er ferner nicht bloß hinsichtlich des Körpers, sondern auch hinsichtlich der Seele an, denn er war mit einer wahrhaft menschlichen Seele begabt, so dass er ein wahrer Mensch war. Denn da die Seele nicht weniger als der Körper selbst der Verdammnis schuldig war, so war es notwendig, dass er diesen so wie jene annahm, damit er beide zugleich erlöste. Deshalb bekennen wir gegen die Ketzerei der Anabaptisten, die da leugnen, dass Christus menschliches Fleisch angenommen habe, dass Christus desselben Fleisches und Blutes teilhaftig gewesen ist wie auch die Kinder, aus den Lenden Davids dem Fleisch nach, geworden von dem Samen Davids nach dem Fleisch, eine Frucht aus dem Leib der Jungfrau Maria, aus einer Frau geboren, Spross Davids, Zweig vom Stamm Isais aus dem Stamm Juda und von den Juden selbst herstammend nach dem Fleisch und überhaupt wahrer Samen Abrahams und Davids, da er den Samen Abrahams an sich nahm und seinen Brüdern in allem gleich geworden ist, die Sünde ausgenommen, geboren aus der Maria, so dass er auf diese Weise wahrhaft geworden ist unser Immanuel, das heißt »Gott mit uns«.
ARTIKEL 19 – VON ZWEI NATUREN DER EINEN PERSON JESUS CHRISTUS
Wir glauben auch, dass durch diese Empfängnis die Person des Sohnes unzertrennbar verbunden und vereinigt ist mit der menschlichen Natur, so dass nicht zwei Söhne Gottes sind und nicht zwei Personen, sondern zwei Naturen in ein und derselben Person vereinigt. Von denen behält jede ihre Eigenschaften, so dass so wie die göttliche Natur immer unerschaffen ohne Anfang der Tage und ohne Ende des Lebens bleibt, Himmel und Erde erfüllend, auch die menschliche Natur ihre Eigenschaften nicht verloren hat, sondern ein Geschöpf geblieben ist, die Anfang der Tage und Ende des Lebens hat, von endlicher und beschränkter Natur ist und alles, was einem wahren Körper zukommt, behält. Und obgleich er ihr durch seine Auferstehung Unsterblichkeit verliehen hat, so hat er ihr doch die Wahrheit der menschlichen Natur nicht genommen noch geändert. Denn unser Heil und unsere Auferstehung hängen von der Wahrheit seines Körpers ab. Übrigens sind diese beiden Naturen so zusammen vereinigt und verbunden zu einer Person, dass sie nicht einmal durch seinen Tod haben getrennt werden können. Was er daher seinem Vater im Sterben anempfahl, das war wirklich der menschliche Geist, der seinen Leib verließ; aber unterdessen blieb die göttliche Natur immer mit der menschlichen auch im Grab verbunden, so dass die Gottheit selbst damals nicht weniger in ihm war, als wie er noch ein Kind war, obgleich sie sich für kurze Zeit nicht zeigte. Deshalb bekennen wir, dass er wahrer Gott und wahrer Mensch ist: wahrer Gott, damit er durch seine Macht den Tod besiege, und wahrer Mensch, damit er in der Schwachheit seines Fleisches für uns den Tod erlitte.
ARTIKEL 20 – VON DER ERLÖSUNG AUFGRUND DER GERECHTIGKEIT UND BARMHERZIGKEIT GOTTES IN CHRISTUS
Wir glauben, dass Gott, der vollkommen barmherzig und gerecht ist, seinen Sohn gesandt hat, dass er diese Natur annähme, die durch Ungehorsam gesündigt hatte, damit er in eben dieser Natur genugtue und damit Gott für die Sünde durch den herben Tod und das Leiden seines Sohnes die gerechte Strafe vollzöge. Gott hat daher seine Gerechtigkeit an seinem eigenen Sohn, auf den er unsere Sünden häufte, gezeigt und geübt, seine Güte aber und Barmherzigkeit über uns Schuldige und der Verdammnis Würdige gütig ergossen und geübt, indem er seinen Sohn für uns, nach seiner vollkommensten Liebe gegen uns, dem Tode hingegeben hat und ihn wieder, unserer Rechtfertigung wegen, von den Toten auferweckt hat, damit wir Unsterblichkeit und ewiges Leben durch ihn erlangen.
ARTIKEL 21 – VON DER GENUGTUUNG CHRISTI FÜR UNSERE SÜNDEN
Wir glauben, dass Jesus Christus der Hohepriester ist, in Ewigkeit mit einem Schwur eingesetzt, nach der Ordnung Melchisedeks, der sich für uns dem Vater zur Versöhnung seines Zornes mit völliger Genugtuung darbot, indem er sich selbst auf den Altar des Kreuzes stellte und sein kostbares Blut zur Abwaschung unserer Sünden vergoss, wie dies die Propheten vorhergesagt hatten. Denn es ist geschrieben: »[…] die Strafe lag auf ihm, damit wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt worden«; und: »[…] wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird«; und: »Er ist unter die Sünder und Übertreter gezählt«; und er ist von Pontius Pilatus wie ein Missetäter verurteilt, obgleich er ihn vorher für unschuldig erklärte. Was er nie genommen hatte, hat er bezahlt, und, ein Gerechter, hat er für Ungerechte gelitten, und zwar sowohl an seiner Seele als auch an seinem Leib, so dass er, indem er die furchtbare Strafe fühlte, die wir für unsere Sünden verdient hatten, Blut und Wasser schwitzte und endlich ausrief: »Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? […]« Dies alles ertrug er zur Vergebung unserer Sünden. Deshalb sagen wir mit Recht mit dem heiligen Paulus, dass wir uns nicht dafür halten, dass wir etwas wissen denn Jesus Christus, und denselbigen gekreuzigt, ja dass wir alles für Dreck erachten um der überschwänglichen Erkenntnis unseres Herrn Jesu Christi willen, da wir in seinen Wunden Trost aller Art finden. Deshalb ist es durchaus nicht nötig, dass wir irgendeine andere Weise wünschen oder selbst erdenken, auf die wir mit Gott wieder versöhnt werden können, außer dieses einzige und einmal vollbrachte Opfer, durch welches alle Gläubigen, welche geheiligt werden, in Ewigkeit geweiht und vollkommen gemacht sind. Und das ist der Grund, weshalb er selbst vom Engel »Jesus« genannt ist, das ist Erretter, weil er sein Volk selig machen sollte von seinen Sünden.
ARTIKEL 22 – VON DER RECHTFERTIGUNG DURCH DEN GLAUBEN
Wir glauben, dass der Heilige Geist durch die wahre Erkenntnis dieses großen Geheimnisses in unseren Herzen den wahren Glauben entzündet, welcher Jesus Christus mit allen seinen Verdiensten umfasst und ihn sich zu eigen macht und ferner nichts außer ihm sucht. Denn entweder muss alles, was zu unserem Heil erfordert wird, nicht in Christus sein, oder wenn alles in ihm ist, muss der, welcher durch den Glauben Jesus Christus besitzt, zugleich auch das vollkommene Heil besitzen. Deshalb ist es überhaupt eine furchtbare Lästerung gegen Gott zu behaupten, dass Christus keineswegs genüge, sondern dass es noch anderer Dinge bedürfe. Denn daraus würde folgen, dass Christus nur zum Teil der Erlöser wäre. Deshalb sagen wir mit Fug und Recht mit dem heiligen Paulus, dass wir allein durch den Glauben gerechtfertigt werden, oder durch den Glauben ohne die Werke des Gesetzes. Übrigens meinen wir nicht, dass der Glaube selbst, eigentlich geredet, es ist, der uns rechtfertigt, oder dass wir wegen des Glaubens gerechtfertigt werden; denn er ist nur ein Werkzeug, wodurch wir Christus, unsere Gerechtigkeit, ergreifen. Christus selbst ist daher, indem er uns alle seine Verdienste und die so vielen heiligen Werke, die er für uns getan hat, anrechnet, unsere Gerechtigkeit. Der Glaube aber ist das Werkzeug, durch welches wir mit ihm zur Gemeinschaft an allen seinen Gütern verbunden und in ihr erhalten werden, so dass diese alle, nachdem sie unser geworden sind, für uns zu unserer Befreiung von der Sünde mehr als hinreichen.
ARTIKEL 23 – VON UNSERER GERECHTIGKEIT VOR GOTT
Wir glauben, dass unsere Seligkeit auf der Vergebung unserer Sünden beruht, die durch Jesus Christus geschieht, und dass darin unsere Rechtfertigung vor Gott besteht, wie der heilige Paulus und David uns lehren, indem sie den Menschen selig nennen, welchem Gott die Gerechtigkeit zurechnet ohne die Werke. Derselbe Apostel sagt, »dass sie ohne Verdienst gerechtfertigt werden durch seine Gnade aufgrund der Erlösung, die in Christus Jesus ist.« Und deshalb behalten wir diesen festen Grund in Ewigkeit und geben Gott alle Ehre, indem wir über uns selbst ganz demütig gesinnt sind, wohl wissend, wer und wie wir sind. Deshalb erwarten wir von uns oder von irgendwelchen unserer Verdienste durchaus nichts, sondern ganz auf den Gehorsam des gekreuzigten Jesus Christus gestützt, beruhigen wir uns bei ihm durchaus, indem er der Unsrige wird, wenn wir an ihn glauben. Dieser eine reicht völlig hin, sowohl um alle unsere Ungerechtigkeiten zu bedecken, als auch um uns gegen alle Versuchungen sicher zu machen. Denn jener entfernt vom Gewissen alle Furcht, allen Schrecken, alle Scheu, damit wir näher zu Gott treten und nicht dem Beispiel unseres ersten Vaters nachahmen, der, aus Furcht fliehend, sich mit Feigenblättern zu bedecken und zu verbergen versuchte. Und wenn wir, auf uns selbst oder irgendein anderes Geschöpf auch nur im geringsten gestützt, uns vor Gott stellen müssten, so ist es gewiss, dass wir sogleich vergehen würden. Deshalb muss jeder von uns vielmehr mit David ausrufen: »Und geh nicht ins Gericht mit deinem Knecht; denn vor dir ist kein Lebendiger gerecht!«
ARTIKEL 24 – VON DER HEILIGUNG UND DEN GUTEN WERKEN
Wir glauben, dass dieser wahre Glaube, der durch das Hören des Wortes Gottes und die Wirkung des Heiligen Geistes in uns hervorgebracht ist, uns wiedergeboren und gleichsam zu neuen Menschen macht, damit er die, welche er ein neues Leben zu leben erregt hat, auch von der Knechtschaft der Sünde frei mache. Dieser rechtfertigende Glaube ist also so weit davon entfernt, uns von der rechten und heiligen Lebensweise abzubringen oder uns lässiger zu machen, dass vielmehr im Gegenteil ohne ihn niemand jemals etwas Gutes aus Liebe zu Gott tun oder vollbringen kann, sondern nur aus Selbstliebe und aus Furcht vor der Verdammnis. Es ist daher unmöglich, dass dieser heilige Glaube im Menschen untätig sei. Denn wir reden hier nicht vom toten Glauben, sondern nur von dem, von dem es in der Schrift heißt, dass er durch Liebe wirkt, und der den Menschen antreibt, sich in den Werken zu üben, die Gott selbst in seinem Wort vorschreibt. Aber diese Werke, welche aus der reichen Wurzel dieses Glaubens hervorgehen, sind erst deshalb gut und Gott angenehm, weil sie durch seine Gnade geheiligt werden; uns aber zu rechtfertigen, kommen sie gar nicht in Betracht. Denn durch den Glauben an Jesus Christus werden wir gerecht, und zwar ehe wir irgendwelche guten Werke tun. Denn ebensowenig können unsere Werke vor dem Glauben gut sein, wie die Früchte eines Baumes gut sein können, bevor der Baum selbst gut ist. Wir tun daher gute Werke, aber nicht, um damit etwas zu verdienen. Denn was könnten wir verdienen? Ja, wir sind Gott unablässig zu guten Werken, die wir tun, verpflichtet, nicht Gott uns. Denn Gott ist es, der in uns wirkt das Wollen und das Tun nach seinem unverdienten Wohlwollen. Deshalb müssen wir immer darauf achten, was geschrieben steht: »So sollt auch ihr, wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen war, sprechen: Wir sind unnütze Knechte; wir haben getan, was wir zu tun schuldig waren!« Indessen leugnen wir nicht, dass Gott gute Werke bei den Seinigen vergelte, sondern sagen, dass dies nur durch seine Gnade geschieht, dass er seine Gaben in uns krönt. Übrigens setzen wir, wenn wir auch gute Werke tun, doch durchaus keine Hoffnung unseres Heils auf sie. Denn wir können keine Werke tun, die nicht durch die Sünde unseres Fleisches befleckt wären und somit Strafe verdienten. Selbst angenommen, dass wir ein solches Werk vorbringen könnten, so würde doch die Erinnerung an eine Sünde hinreichen, es vom Angesichte Gottes zu entfernen. So würden wir immer im Zweifel sein, hier- und dorthin schwankend, ohne alle Gewissheit, und unser elendes Gewissen würde immer geplagt werden, wenn wir uns nicht auf das einzige Verdienst des Todes und Leidens unseres Erlösers stützten und bei ihm beruhigten.
ARTIKEL 25 – VON CHRISTUS, DEM ENDE DES GESETZES
Wir glauben, dass alle Zeremonien und Bilder des Gesetzes mit Christi Ankunft aufgehört und alle Schatten ein Ende genommen haben und dass deswegen ihr Gebrauch unter Christen abgeschafft werden muss. Indessen bleiben uns doch ihre Wahrheit und ihr Wesen in Christus, in dem sie alle erfüllt sind. Das Zeugnis des Gesetzes aber und der Propheten gebrauchen wir noch, um uns selbst in der Lehre des Evangeliums zu befestigen und unser ganzes Leben sittlich zu Gottes Ehre nach seinem Willen einzurichten.
ARTIKEL 26 – VON CHRISTUS UNSEREM MITTLER
Wir glauben, dass wir keinen anderen Zutritt zu Gott haben, als durch den einzigen Mittler und Fürsprecher, Jesus Christus, den Gerechten, der deswegen Mensch geworden ist und mit der göttlichen Natur persönlich vereinigt, damit wir Menschen durch ihn Zutritt zur göttlichen Majestät haben; sonst war uns dieser Zutritt verschlossen, nicht anders, als wie Dornen nicht nah an Feuer kommen können. Wir würden allein durch seine Stimme vernichtet sein, wie man an Adam sieht, der erschreckt vor dem Herrn floh, und an den Israeliten am Berg Sinai, die einen Mittler verlangten, aus Furcht, sie würden vor der Stimme des Herrn sterben. Dieser Mittler, den der Vater zwischen sich und uns verordnete, darf uns nicht wegen seiner Erhabenheit erschrecken, dass wir einen anderen Mittler, wie es uns gut dünkt, suchen; denn es ist niemand von allen Geschöpfen im Himmel und auf Erden, der uns mehr liebte als Jesus Christus, der, obgleich er göttlicher Gestalt war, sich doch geringer gemacht hat und die Gestalt eines Knechtes an sich genommen hat, ist gleich geworden den Menschen und seinen Brüdern in allem. Er, der reich war, ist unseretwegen arm geworden. Wenn wir aber einen anderen Mittler suchen müssten, der gegen uns wohlgesinnt wäre, wen könnten wir finden, der uns mehr liebte als der, der sein Leben für uns ließ, selbst damals, als wir seine Feinde waren? Wenn wir aber jemand suchen müssen, der an Macht und Ansehen stark ist, wer ist, der so viel vermöchte als der, welcher zur Rechten des Vaters sitzt und alle Macht hat im Himmel und auf Erden? Wer wird wohl leichter erhört als der eigene und einzig geliebte Sohn? Allein der Unglaube hat daher zur Sitte geführt, den Heiligen Schmach anzutun, indem man sie ehren will, ja ihnen solche Ehre erweist, die sie niemals gewünscht, sondern immerfort, wie es ihre Pflicht forderte, verschmäht haben, wie aus ihren Schriften klar ist. Auch darf hier das nicht vorgebracht werden, dass wir nicht würdig sind, denn hier handelt es sich nicht darum, dass unsere Bitten unserer Würdigkeit wegen Gott vorgetragen werden, sondern nur wegen der Herrlichkeit und Würdigkeit Jesu Christi, dessen Gerechtigkeit die unsrige ist durch den Glauben. Deshalb sagt der Apostel, der uns diese törichte Furcht oder Unglauben nehmen will, mit Recht, dass Jesus Christus in allen Dingen den Brüdern gleich geworden ist, auf dass er barmherzig wäre und ein treuer Hoherpriester in allem dem, was vor Gott zu handeln ist, des Volkes Sünde zu versöhnen. Denn weil er gelitten hat und versucht worden ist, so kann er auch denen helfen, die versucht werden, und bald darauf fügt er hinzu, damit er eine um so größere Zuversicht, zu ihm zu treten, in uns erwecke: »Da wir nun einen großen Hohenpriester haben, der die Himmel durchschritten hat, Jesus, den Sohn Gottes, so lasst uns festhalten an dem Bekenntnis! Denn wir haben nicht einen Hohenpriester, der kein Mitleid haben könnte mit unseren Schwachheiten, sondern einen, der in allem versucht worden ist in ähnlicher Weise [wie wir], doch ohne Sünde. So lasst uns nun mit Freimütigkeit hinzutreten zum Thron der Gnade, damit wir Barmherzigkeit erlangen und Gnade finden zu rechtzeitiger Hilfe!« Hier verwandelt er den furchtbaren Thron der Herrlichkeit in einen Thron der Gnade, damit er mache, dass wir zu ihm treten. Derselbe Apostel lehrt, dass wir einen freien Zugang haben in das Heiligtum durch das Blut Jesu. »[S]o lasst uns«, sagt er, »hinzutreten mit wahrhaftigem Herzen, in völliger Gewissheit des Glaubens […]«. Gleichfalls: »[E]r aber hat, weil er in Ewigkeit bleibt, ein unübertragbares Priestertum. Daher kann er auch diejenigen vollkommen erretten, die durch ihn zu Gott kommen, weil er für immer lebt, um für sie einzutreten.« Was kann man mehr wollen, da Christus selbst offen bezeugt: »[…] Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater als nur durch mich!«? Wozu wollen wir einen anderen Fürsprecher suchen, da wir durch ihn allein Zugang zum Vater haben und da es Gott gefiel, uns seinen Sohn zu geben, dass er unser Fürsprecher wäre, nicht dass wir ihn verlassen sollten, um uns einen anderen zu nehmen, oder vielmehr einen anderen zu suchen und niemals zu finden? Denn als Gott ihn uns gab, wusste er wohl, dass wir Sünder sind. Deshalb wollen wir dem Gebot Christi folgen und den himmlischen Vater anrufen durch Christus, unseren einzigen Mittler, wie er uns selbst gelehrt hat im Gebet des Herrn, davon überzeugt, dass wir das, um was wir den Vater in seinem Namen bitten werden, auch erlangen werden.
ARTIKEL 27 – VON DER WAHRHAFT KATHOLISCHEN KIRCHE
Wir glauben und bekennen eine katholische oder allgemeine Kirche, welche eine heilige Versammlung oder Gemeinschaft aller wahrhaft gläubigen Christen ist, welche ihr ganzes Heil von dem einen Jesus Christus erwarten, gereinigt durch sein Blut und durch seinen Geist geheiligt und versiegelt. Diese Kirche war seit Anfang der Welt und wird bis zu ihrem Ende bleiben, wie dies auch daraus folgt, dass Christus ein ewiger König ist, der niemals ohne Untertanen sein kann. Diese heilige Kirche wird von Gott gegen alle Wut der Welt geschützt, wenn sie auch für einige Zeit in den Augen der Welt nur sehr klein und fast ausgelöscht erscheinen mag, wie Gott in jener sehr gefährlichen Zeit des Ahab sich siebentausend Männer bewahrt hat, die ihre Knie nicht vor dem Baal beugten. Endlich ist diese heilige Kirche an keinem bestimmten Ort gelegen oder beschränkt oder an irgendeine bestimmte Personen gebunden oder gekettet, sondern sie ist über den ganzen Erdkreis zerstreut und verbreitet, obgleich sie in Herz und Willen in ein und demselben Geist durch die Kraft des Glaubens ganz verbunden und vereinigt ist.
ARTIKEL 28 – VON DER NOTWENDIGKEIT DER KIRCHENMITGLIEDSCHAFT
Wir glauben, dass, weil diese heilige Gemeinschaft und Versammlung aus denen besteht, die gerettet werden, und außer ihr kein Heil ist, keiner (welche Würde oder welchen Namen er auch haben mag) sich ihr entziehen oder von ihr trennen darf, um, nur mit seinem eigenen Umgang zufrieden, allein und abgesondert zu leben, sondern dass alle und jeder verpflichtet sind, sich mit dieser Gemeinschaft zu verbinden und zu vereinigen, die Einheit der Kirche sorgfältig zu bewahren und sich ihrer Lehre und Zucht zu unterwerfen, den Nacken endlich freiwillig unter das Joch Christi zu beugen und gleich wie gemeinsame Glieder desselben Leibes der Erbauung der Brüder zu dienen, wie Gott einem jeden seine Gaben verliehen hat. Ferner ist es, damit dies um so besser beobachtet wird, aller Gläubigen Pflicht, sich nach dem Wort Gottes von allen denen zu trennen, welche außer der Kirche stehen, und sich mit dieser Gemeinschaft und Vereinigung der Gläubigen zu verbinden, wo nur Gott sie errichtet hat, wenn auch feindliche Verordnungen der Fürsten und Obrigkeiten es verbieten, selbst wenn denen, die dies tun, Strafe am Leben und durch den leiblichen Tod angedroht ist. Wer sich daher von dieser wahren Kirche trennt oder sich ihr anzuschließen weigert, widerstrebt offenbar dem Gebot Gottes.
ARTIKEL 29 – VON DEN KENNZEICHEN DER WAHREN KIRCHE
Wir glauben, dass man mit der größten Sorgfalt und Klugheit aus dem Wort Gottes prüfen und unterscheiden muss, welches diese wahre Kirche ist, da alle Sekten, so viele ihrer heute in der Welt bestehen, den Titel und Namen der Kirche annehmen und vorschützen. Wir reden jetzt aber durchaus nicht von der Gemeinschaft der Heuchler, welche in der Kirche mit den Guten vermischt sind und zugleich unter diesem Titel der Kirche verborgen sind, aber nicht eigentlich zur Kirche gehören, wenn sie auch in derselben leiblich gegenwärtig sind, sondern von der Unterscheidung des Leibes und der Gemeinschaft der wahren Kirche von allen anderen Sekten, die sich rühmen, Kirche zu sein. Die Kennzeichen, durch welche die wahre Kirche sich von jenen unterscheidet, sind diese: wenn sich die Kirche der reinen Predigt des Evangeliums und der lauteren Verwaltung der Sakramente nach der Einsetzung Christi bedient; wenn sie sich der Kirchenzucht recht zur Besserung der Fehler bedient; wenn sie schließlich (damit wir alles mit einem Wort zusammenfassen) alles nach der Vorschrift des Wortes Gottes tut und alles, was ihm widerstreitet, von sich weist und Christus als einziges Haupt anerkennt. An diesen Kennzeichen kann die wahre Kirche, von der sich keiner trennen darf, mit Sicherheit erkannt werden. Wer aber dieser wahren Kirche wahre Glieder sind, lässt sich aus den Kennzeichen des Christen beurteilen, das ist der Glaube; und daran werden sie erkannt, dass sie nachdem sie Christus als einzigen Erlöser empfangen haben, die Sünde fliehen und der Gerechtigkeit nachjagen, aber auch Gott und den Nächsten lieben, weder zur Rechten noch zur Linken abweichend, sondern ihr Fleisch mit seinen Werken kreuzigend; was zwar nicht so zu verstehen ist, als wäre in ihnen keine Schwachheit mehr, sondern so, dass sie gegen dieselbe alle Zeit ihres Lebens hindurch durch die Kraft des Geistes kämpfen, indem sie immer ihre Zuflucht nehmen zum Blut, Tod, Leiden und Gehorsam unseres Herrn Jesu Christi, in dem allein sie die Vergebung ihrer Sünden durch den Glauben an ihn haben. Was aber die falsche Kirche betrifft, so schreibt sie sich und ihren Einrichtungen und Überlieferungen immer mehr Ansehen zu als dem Wort Gottes; sie weigert sich, sich dem Joch Christi zu unterwerfen; sie verwaltet die Sakramente nicht, wie Christus in seinem Wort vorgeschrieben hat, sondern sie setzt ihnen bald etwas zu, bald entzieht sie ihnen etwas nach ihrer Willkür. Außerdem stützt sie sich immer weit mehr auf Menschen als auf Christus und verfolgt diejenigen feindlich, welche ihr Leben nach der Vorschrift des Wortes Gottes heilig zu führen streben und die ihre Fehler und vorzüglich ihre Habsucht und ihren Götzendienst rügen und tadeln. Hieraus ist es daher leicht, beide Kirchen zu erkennen und voneinander zu unterscheiden.
ARTIKEL 30 – VON DER LEITUNG DER KIRCHE
Wir glauben, dass diese wahre Kirche regiert und gelenkt werden muss durch jene geistliche Verwaltung, die uns Gott selbst in seinem Wort gelehrt hat, nämlich dass in ihr Diener und Pastoren sind, um zu predigen und die Sakramente zu verwalten; außerdem Älteste und Diakonen, welche gemeinsam mit ihnen das Presbyterium oder den Kirchenrat bilden, damit durch diese Mittel die wahre Religion erhalten und die wahre Lehre verbreitet werde; die den Lastern ergebenen Leute geistlich getadelt und gebessert und gleichsam durch den Zaum der Zucht gezügelt werden und die Armen und Bedrängten mit Hilfe und Trost nach eines jeden Bedürfnis unterstützt werden können. Denn dann wird alles gehörig und ordentlich in der Kirche zugehen, wenn gläubige und fromme Männer zu ihrer Leitung erwählt werden, nach der Vorschrift des heiligen Paulus an Timotheus.
ARTIKEL 31 – VON ER BERUFUNG DER KIRCHENDIENER
Wir glauben, dass die Diener, Ältesten und Diakonen zu diesen ihren Ämtern berufen und gewählt werden müssen durch rechtmäßige Wahl der Kirche bei ernster Anrufung Gottes und nach der Ordnung, welche uns im Wort Gottes vorgeschrieben wird. Es muss sich jedoch jeder sorgfältig hüten, sich nicht durch unerlaubte Mittel zu diesen Ämtern zu drängen. Denn alle müssen warten, bis sie von Gott selbst berufen werden, damit sie ein sicheres Zeugnis ihrer Berufung haben und wissen, dass sie von Gott sei. Übrigens haben alle Diener des Wortes Gottes, an welchem Ort sie sein mögen, alle dieselbe Macht und gleiches Ansehen, da sie alle gleich Diener Christi, des einen allgemeinen Bischofs und Hauptes der Kirche, sind. Und somit hat keine Kirche irgendeine Macht oder Herrschaft über eine andere, über sie zu herrschen. Ferner müssen alle, damit diese heilige Anordnung Gottes nicht verletzt wird oder in Verachtung kommt, die Diener des Wortes und die Ältesten der Kirche hochschätzen wegen des Werkes, dem sie sich widmen, und mit ihnen Frieden halten und sich von Zank und Streitigkeiten soviel als möglich fernhalten.
ARTIKEL 32 – VON DER ZUCHT UND ORDNUNG DER KIRCHE
Indessen glauben wir, obgleich es zwar nützlich ist, dass die Führer, welche den Kirchen vorstehen, eine Ordnung unter sich festsetzen zur Erhaltung des Körpers der Kirche, dass sie sich doch sorgfältig hüten müssen, auf keine Weise von dem abzuweichen oder sich zu entfernen, was Christus selbst, unser einziger Lehrer, einmal festgesetzt hat. Deshalb verwerfen wir alle menschlichen Erfindungen und alle Gesetze, welche zur Verehrung Gottes eingeführt sind, dass durch sie die Gewissen auf irgendeine Weise gefesselt oder gebunden werden. Wir nehmen daher diejenigen allein an, welche geeignet sind, die Eintracht zu pflegen und zu nähren oder uns im Gehorsam gegen Gott zu erhalten. Dazu ist aber besonders die Exkommunikation notwendig, die nach der Vorschrift des Wortes Gottes geschieht, samt allem, was mit ihr in Verbindung steht.
ARTIKEL 33 – VON DEN SAKRAMENTEN
Wir glauben, dass Gott aus Rücksicht auf unsere Plumpheit und Schwäche die Sakramente eingesetzt hat, damit er seine Verheißungen in uns besiegle und damit sie uns die sichersten Unterpfänder des göttlichen Wohlwollens und der Gnade seien, bereitet, um unseren Glauben zu nähren und zu erhalten. Er fügte sie aber zum Wort des Evangeliums hinzu, damit er das sowohl, was er uns äußerlich durch sein Wort erklärt, als auch das, was er innerlich in unseren Herzen wirkt, deutlicher unseren Sinnen darlege. Denn es sind die Sakramente Zeichen und sichtbare Sinnbilder innerlicher und unsichtbarer Dinge, durch welche, als Mittel, Gott selbst durch die Kraft des Heiligen Geistes in uns wirkt. So sind diese Zeichen keineswegs zwecklos oder leer und nicht, um uns zu täuschen oder zu betrügen, eingesetzt. Denn ihre Wahrheit ist Jesus Christus selbst, ohne den sie ganz ohne Bedeutung wären. Außerdem genügt uns die Zahl der Sakramente, die Christus selbst, unser Lehrer, eingesetzt hat. Es sind aber zwei, nämlich das Sakrament der Taufe und des heiligen Mahles unseres Herrn Jesu Christi.
ARTIKEL 34 – VON DER TAUFE
Wir glauben und bekennen, dass Jesus Christus, der das Ende des Gesetzes ist, durch sein eigenes vergossenes Blut allem anderen Vergießen von Blut zur Versöhnung der Sünden schon ein Ende gemacht hat und dass er mit Abschaffung der Beschneidung, die durch Blut geschah, die Taufe an ihre Stelle gesetzt hat, durch die wir in die Kirche Gottes aufgenommen werden und von allen anderen Völkern und Religionen uns unterscheiden, als ihm allein geweiht, dessen Mal und Abzeichen wir tragen. Es dient uns endlich die Taufe zum Zeugnis, dass der, der uns ein gütiger Vater ist, auch in Ewigkeit unser Gott sein wird. Alle daher, welche die Seinen sind, hat der Herr befohlen, mit reinem Wasser zu taufen im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, um damit zu bezeichnen: genauso wie das Wasser über uns ausgegossen und am Leib des Getauften sichtbar mit der Besprengung die Unreinheit des Leibes abwäscht, so tut auch das Blut Christi das gleiche an unserer Seele durch den Heiligen Geist, in dem es sie besprengt und reinigt von den Sünden und uns aus Kindern des Zorns zu Kindern Gottes neugebiert. Nicht als ob das Wasser selbst das vollbrächte, sondern die Besprengung mit dem teuren Blut des Sohnes Gottes, das uns gleich wie das Rote Meer ist, durch das wir gehen müssen, damit wir aus der Tyrannei Pharaos, das ist des Teufels, entkommen und in das geistliche Land Kanaan eingehen können. So reichen uns zwar die Kirchendiener das Sakrament und etwas Sichtbares, aber Gott selbst gewährt wirklich, was durch das Sakrament bezeichnet wird, nämlich die unsichtbaren Geschenke und Gnadengaben, indem er unsere Seelen wäscht, läutert und reinigt von allen ihren Unreinigkeiten und Ungerechtigkeiten, indem er unsere Herzen erneuert und erfüllt mit allem Trost, indem er uns endlich die wahre Gewissheit seiner väterlichen Güte schenkt und uns den neuen Menschen anzieht und den alten auszieht mit allen seinen Werken. Außerdem glauben wir, dass jeder Mensch, der das ewige Leben erlangen will, einmal getauft werden und mit dieser einen Taufe zufrieden sein muss, die niemals nachher erneuert werden darf, da wir ja auch nicht zweimal geboren werden können. Jedoch nützt uns die Taufe nicht nur in dem Augenblick, wo das Wasser an uns ist oder wo wir mit demselben benetzt werden, sondern unsere ganze Lebenszeit hindurch; sonst müssten wir unser Haupt immer mit Wasser benetzt haben. Hier verwerfen wir daher den Irrtum der Wiedertäufer, die nicht nur mit der einen und einmal unternommenen Taufe nicht zufrieden sind, sondern auch die Taufe von Kindern, die von gläubigen Eltern geboren sind, verwerfen. Wir aber glauben, dass sie auf dieselbe Weise zu taufen und mit dem Zeichen des Bundes zu besiegeln sind, wie einst in Israel die kleinen Kinder beschnitten wurden, nämlich wegen derselben Verheißungen, die unseren Kindern gemacht sind. Und in der Tat hat Christus nicht weniger sein Blut vergossen, um die Kinder der Gläubigen, als um die Erwachsenen abzuwaschen. Deshalb dürfen sie das Zeichen oder Sakrament dessen, was Christus um ihretwillen vollbracht hat, empfangen, wie im Gesetz der Herr befiehlt, das Sakrament des Todes und Leidens Christi den neugeborenen Kindern mitzuteilen, indem für sie ein Lamm dargebracht wird, was das Sakrament des kommenden Christus ist. Außerdem gewährt die Taufe den Kindern der Gläubigen jetzt dasselbe, was die Beschneidung dem jüdischen Volk gewährte. Und dies ist der Grund, weshalb Paulus die Taufe die Beschneidung Christi nennt.
ARTIKEL 35 – VOM MAHL DES HERRN
Wir glauben und bekennen, dass der Herr Jesus Christus, unser Erlöser, das heilige Sakrament seines Mahles angeordnet und eingesetzt hat, damit er dadurch diejenigen nähre und erhalte, welche er schon wiedergeboren und in seine Familie, nämlich die Kirche, aufgenommen hat. Diejenigen aber, welche wiedergeboren sind, haben ein doppeltes Leben in sich: ein fleischliches und zeitliches, das sie schon von ihrer ersten Geburt an mit sich brachten, und dies ist allen Menschen gemeinsam; sowie ein geistliches und himmlisches, das ihnen bei der zweiten Geburt geschenkt wird, welches durch das Wort des Evangeliums in der Vereinigung mit dem Leib Christi geschieht, und dies Leben ist nicht allen gemeinsam, sondern nur den Auserwählten Gottes. Wie aber Gott das irdische und wirkliche Brot als geeignet zur Erhaltung dieses fleischlichen und irdischen Lebens verordnet hat, das, wie das Leben selbst, allen gemeinsam ist, so hat Gott auch zur Erhaltung des geistlichen und himmlischen Lebens, das den Gläubigen eigen ist, das lebendig machende Brot gesandt, das vom Himmel stieg, nämlich Jesus Christus. Dieser nährt und erhält das geistliche Leben der Gläubigen, wenn er genossen, das heißt im Geist durch den Glauben aufgenommen und empfangen wird. Um uns aber dieses geistliche oder himmlische Brot bildhaft darzustellen, hat Christus Brot und Wein, irdisch und sichtbar, zum Sakrament seines Leibes und Blutes angeordnet, um uns dadurch zu bezeugen, dass wir, so wahr wir dieses Sakrament empfangen und in unseren Händen halten und es mit dem Mund genießen, wodurch dann auch dieses unser Leben erhalten wird, so wahr auch durch den Glauben (der unserer Seele statt Hand und Mund dient) den wahren Leib und das wahre Blut Christi empfangen in unserem Geist, zur Ernährung des geistlichen Lebens in uns. Es ist aber ganz gewiss, dass Christus uns dieses Sakrament nicht ohne Grund so sorgfältig empfiehlt, da es in uns das wirklich vollbringt, was er uns in diesen Zeichen darstellt, obgleich die Art und Weise unsere Fassungskraft übersteigt und unbegreiflich bleibt, da nämlich die Wirkung des Heiligen Geistes verborgen und unbegreiflich ist. Doch wir irren keineswegs, wenn wir sagen, es geschehe durch den Glauben. Wir sagen daher, dass das, was genossen wird, der eigentliche, natürliche Leib Christi ist, und das, was getrunken wird, sein wahres Blut; aber die Weise, auf wie wir dies essen und trinken, ist nicht mit dem leiblichen Mund, sondern mithilfe des Geistes, durch den Glauben. So sitzt Christus zwar immer zur Rechten des Vaters im Himmel, teilt sich jedoch uns deshalb nicht weniger durch den Glauben mit. Dieses Mahl ist ein geistlicher Tisch, auf dem Christus sich uns selbst mit allen seinen Gütern mitteiltt und macht, dass wir an diesem ihn selber ebensosehr genießen als das Verdienst seines Leidens und Todes. Denn unsere elende und niedergeschlagene und von allem Trost verlassene Seele nährt, stärkt und tröstet er durch das Essen seines Fleisches; und auf gleiche Weise erhält und erfrischt er sie durch das Trinken seines Blutes. Außerdem wird, obwohl die Sakramente mit dem Bezeichneten selbst verbunden sind, doch dies beides nicht von allen empfangen. Der Gottlose empfängt zwar das Sakrament zu seiner Verdammnis, aber die Sache selbst oder die Wahrheit des Sakraments empfängt er nicht. Zum Beispiel Judas und Simon der Magier empfingen zwar beide das Sakrament, keineswegs aber Christus selbst, der damit bezeichnet wurde, da er den Gläubigen allein mitgeteilt wird. Zuletzt nehmen wir an diesem heiligen Sakrament in der Gemeinschaft des Volkes Gottes mit aller Demut und Ehrfurcht teil, indem wir das Andenken des Todes Christi, unseres Erlösers, mit Danksagung heiligfeiern und das Bekenntnis des christlichen Glaubens und Religion öffentlich ablegen. Niemand darf daher an diesen Tisch treten, der sich nicht vorher geprüft hat, damit er nicht, von diesem Brot essend und von diesem Kelch trinkend, sich selbst das Gericht und Verdammnis esse und trinke. Durch den Gebrauch dieses Sakraments wird ferner die heißeste Liebe sowohl gegen Gott als gegen den Nächsten entzündet. Deshalb verwerfen wir hier mit Recht alle Verspottungen und verwerflichen Erdichtungen (die man den Sakramenten hinzugefügt und beigemischt hat) als eine Entweihung und behaupten, dass alle Frommen mit der Ordnung und dem Gebrauch allein, den Christus und die Apostel uns gelehrt haben, zufrieden sein und von diesen Geheimnissen genauso reden müssen wie jene es getan haben.
ARTIKEL 36 – VON DER OBRIGKEIT
Wir glauben, dass der liebe Gott wegen der Verderbnis des Menschengeschlechts Könige, Fürsten und Obrigkeiten eingesetzt hat und dass er will, dass diese Welt durch Gesetze und eine bestimmte Verwaltung regiert werde, um die Fehler der Menschen zu beschränken und damit alles unter den Menschen in rechter Ordnung geführt werde. Deshalb hat er die Obrigkeiten selbst mit dem Schwert bewaffnet, damit sie die Bösen strafen, die Guten aber schützen. Ihres Amtes ist es ferner, nicht nur für die bürgerliche Verfassung besorgt zu sein, sondern auch, sich zu bemühen, dass der Gottesdienst erhalten werde und zu bewirken, dass jeder Gott auf reine Weise nach Vorschrift seines Wortes frei verehren und anbeten könne. Dies sollen sie ohne jede Anmaßung absoluter Autorität und eingedenk der Sphäre ihres Einflusses anhand der ihnen anvertrauten Mitteln tun. Übrigens müssen sich alle Menschen, welchen Ranges, Verhältnisses oder Standes sie auch seien, den gesetzmäßigen Obrigkeiten unterwerfen, ihnen Zoll und Abgaben bezahlen und ihnen in allem folgen und gehorchen, was dem Wort Gottes nicht widerstreitet, auch für sie beten, dass Gott sie in allen ihren Handlungen zu lenken würdige, wir aber unter ihnen ein stilles und ruhiges Leben führen können in aller Frömmigkeit und allem Anstand. Deshalb verabscheuen wir die Wiedertäufer und alle Aufrührer, die Regierungen und Obrigkeiten verwerfen, Recht und Gericht verkehren, alle Güter gemeinschaftlich machen und Stand und Rang, die Gott um der Ehre willen unter den Menschen eingesetzt hat, abschaffen und vermengen.
ARTIKEL 37 – VOM JÜNGSTEN GERICHT UND DER AUFERSTEHUNG
Zuletzt glauben wir nach dem Wort Gottes, dass unser Herr Jesus Christus, wenn die von Gott festgesetzte Zeit, die allen Geschöpfen unbekannt ist, gekommen und die Zahl der Auserwählten voll sein wird, wieder vom Himmel kommen wird, und zwar leiblich und sichtbar, wie er einst hinaufgefahren ist, mit der größten Herrlichkeit und Majestät, um sich zum Richter der Lebenden und Toten zu erklären, nachdem er diese Welt in Feuer und Flammen entzündet hat, damit er sie läutere. Dann aber werden alle Geschöpfe, sowohl Männer als Frauen und Kinder, so viele es von Anfang bis Ende der Welt gegeben hat, vor diesem höchsten Richter erscheinen, wohin sie durch die Stimme und den furchtbaren Ruf der Engel und Erzengel und die Posaune Gottes gerufen werden. Denn dann werden sich alle vorher Gestorbenen aus der Erde erheben, eines jeden Seele verbunden und vereinigt mit ihrem eigenen Leib, in dem sie gelebt hatte. Diejenigen aber, welche an jenem letzten Tag noch am Leben sind, werden nicht wie die Übrigen sterben, sondern in einem Augenblick verwandelt werden, aus der Vergänglichkeit in Unvergänglichkeit. Dann werden die Bücher (nämlich die Gewissen) aufgeschlagen werden und die Toten gerichtet werden nach dem, was sie in dieser Welt getan haben, Gutes oder Böses. Dann werden auch die Menschen Rechenschaft ablegen von jedem unnützen Wort, das sie gesprochen haben, wenn auch diese Welt es für Spaß und Scherz nimmt. Überhaupt wird dann alle Heuchelei der Menschen und alle Geheimnisse ihres Herzens öffentlich vor allen aufgedeckt werden. Und deshalb ist der bloße Gedanke an dies Gericht den Gottlosen und Verworfenen mit Recht schrecklich und furchtbar, den Frommen aber und Auserwählten höchst wünschenswert und von großem Trost. Denn dann wird ihre Erlösung erst ganz vollendet werden, und sie werden die lieblichen Früchte ihrer Mühen und Schmerzen, die sie in diesem Leben erduldet haben, erlangen; ihre Unschuld wird dann offen vor allen anerkannt werden, und sie selbst werden wiederum die furchtbare Rache sehen, die der Herr an denen übt, welche ihnen tyrannisch mancherlei Qualen und Beschwerden angetan haben. Die Gottlosen ferner werden durch das eigene Zeugnis ihres Gewissens überführt sein und zwar unsterblich werden, aber so, dass sie in dem ewigen Feuer, das dem Teufel und seinen Engeln bereitet ist, in Ewigkeit gefoltert werden. Dagegen werden aber die Gläubigen und Auserwählten mit der Krone der Herrlichkeit und Ehre beschenkt werden, und der Sohn Gottes wird ihre Namen vor Gott, dem Vater, und seinen heiligen, auserwählten Engeln nennen, und jede Träne wird von ihren Augen getrocknet werden. Dann wird man erkennen, dass ihre Sache, die jetzt als Ketzerei und Gottlosigkeit von den Obrigkeiten und Richtern verdammt wird, die Sache des Sohnes Gottes sei. Und Gott wird ihnen aus Gnade mit solcher Herrlichkeit vergelten, wie keines Menschen Seele sich je vorstellen kann. Wir erwarten daher diesen großen Tag des Herrn mit der größten Sehnsucht, damit wir aller Dinge, die uns von Gott verheißen sind, völlig in Jesus Christus, unserem Herrn, froh teilhaftig werden und in Ewigkeit genießen. Offenbarung 22,20: Ja, komm, Herr Jesus!